Anne Frasier
ermittelt in dem Fall«, war Sinclair zitiert worden. » Und ich bin sehr zuversichtlich, dass er den Mörder fassen wird.«
Es hatte kein Foto von Irving gegeben. Aber das bekam man leicht von der Website der Polizei. Irving selbst hatte keine eigene Seite, aber prinzipielle Informationen gab es in einer Übersicht.
Zu jedem Namen ein Gesicht. Zu jedem Gesicht einen Namen.
Unter dem Foto von Detective Irving befand sich noch eines - das eines verschwitzten, blonden Jungen in einem Hockey-T-Shirt. Nummer zweiunddreißig. Eine gute Zahl. Eine schöne, runde Zahl, die einem von der Zunge rollte.
ETHAN IRVING.
Der Junge war ein aufsteigender Star in der Hockeymannschaft seiner Highschool.
Hockey. Ein harter Sport. Für den man sehr geschickt sein musste.
Die Highschool, an der Ethan spielte, hieß Cascade Hills.
Obwohl er Hockey nicht mochte, Sport sowieso nicht, überlegte er, sich einmal ein Spiel anzusehen.
Dort würden eine Menge Leute sein, und er hatte keine Lust darauf, sozial zu tun, um sich unter die Menschen zu mischen. Aber wenn Ethan spielte, konnte es das wert sein. Wenn Detective Irving zusah, wäre es interessant.
Das wäre ein Spaß.
Von oben hörte er, wie seine Mutter mit ihrem Holzstock auf den Boden schlug - ihr Signal dafür, dass er seinen Arsch hochhieven sollte.
Sein Herz setzte kurz aus, dann begann es so laut zu schlagen, dass das Pochen seinen Kopf erfüllte.
Beruhige dich. Alles in Ordnung. Es ist bloß die Alte oben. Bloß deine Mutter.
»Ich komme!«, rief er.
Jetzt, wo sie sich das Bein gebrochen hatte, war sie bettlägerig - was hieß, dass er sich persönlich um jeden Mist kümmern musste. Gott sei Dank hatte sie starke Schmerzmittel und Schlaftabletten verschrieben bekommen, und er hatte festgestellt, wenn er die Dosis erhöhte, schlief sie sechs oder sieben Stunden durch. Wenn er sie nur für immer schlafen lassen könnte ...
17
Sachi Anderson und ihr Sohn waren zwei Tage tot, als die Einsatzgruppe zum ersten Mal zusammentraf.
Ein Raum im zweiten Stock des Hauptquartiers war die neue Zentrale für alle, die mit dem Fall zu tun hatten, und würde es bleiben, bis der Mörder gefasst war oder die Kosten gedrückt werden mussten, je nachdem, was zuerst eintrat.
Die Wache »Grand Central Station«, so benannt von Schulkindern, weil sie an der Kreuzung Grand und Central lag, ersetzte das alte Shakespeare Building, das so alt war, dass es hieß, im Erdgeschoss befänden sich noch Pferdeställe. Das neue Gebäude war in den Achtzigern erbaut worden. Zu jener Zeit war das Standard-Design eine Konstruktion mit schmalen, hohen Fenstern aus Plexiglas. Wenn man eine Flachdach-Grundschule und ein Fort kreuzte, bekam man Grand Central. Ivy hatte das Gefühl, ein Gebäude könnte gar nicht unauffälliger geraten.
Chicago konnte ein düsterer Ort sein, und selbst an einem sonnigen Tag halfen die beiden schmalen Fensterchen in dem zentralen Raum der Einsatzgruppe nicht, die Düsternis zu vertreiben. Dafür waren die Neonröhren an der Decke zuständig.
Ein Raum, der am Morgen noch leer gewesen war, beinhaltete jetzt vier Schreibtische samt Telefonen, Headsets und Computern, Stadtpläne von Chicago hingen an den Wänden. Man hatte Sofas und Sessel aufgestellt, außerdem einen kleinen Kühlschrank und eine Kaffeemaschine. Ein Zuhause fern der Heimat,
Ivy sah sich in dem Raum mit einer Mischung aus Sorge
und Erleichterung um. Sorge, denn sie wusste, dass die Sofas für anstehende schlaflose Nächte und möglicherweise noch mehr Morde standen; Erleichterung, weil man die Ernsthaftigkeit der Mutter-Kind-Tötungen erkannt und die notwendigen Mittel locker gemacht hatte - in dieser Geschwindigkeit war das nicht immer leicht. Sie vermutete, dass Abraham in den letzten Tagen viele gute Worte eingelegt hatte.
Die Mitglieder zum ersten, vorläufigen Meeting der Einsatzgruppe begannen hereinzuströmen; auf ihren ernsthaften Gesichtern konnte man von der Brutalität der Verbrechen lesen, mit denen sie sich beschäftigen würden. Zwei Leute, ein Mann und eine Frau in Anzügen, stellten sich als FBI-Agenten aus dem National Center for Analysis of Violent Crime vor, NCAVC.
»Wir werden nur ein paar Tage hier sein«, erklärte die Frau, Mary Cantrell, und schüttelte Ivy die Hand. »Wir wollen Ihnen Starthilfe geben. Sie können sie nutzen oder verwerfen, wie Sie wollen.«
Sie sagte das auf eine Art, die andeutete, dass die »Starthilfe« von ihr und ihrem Partner nicht immer mit offenen Armen
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