Anne Frasier
Ivy
schnell das Beifahrerfenster herunter. Ethan beugte sich vor, steckte den Kopf zum Fenster hinaus und erbrach sich. Ein Wagen raste vorbei, die Scheibenwischer angeschaltet, das Hupen verklang schließlich in der Ferne.
Die Straße wurde breiter, und Max konnte endlich anhalten. Kaum stand der Wagen, hechtete Ethan hinaus, gefolgt von Max und Ivy.
»Haut ab«, sagte Ethan und wedelte mit seinem Arm hinter sich rum. »Es muss keiner zugucken.«
Max und Ivy sahen einander an, dann stiegen sie wieder in den Wagen.
Ein paar Minuten später kam Ethan zurück zum Wagen und stieg ein, er sackte auf dem Rücksitz zusammen, das Gesicht bleich, er hatte sein Hemd ausgezogen und hielt es zerknäult zwischen den Händen.
»Alles okay?«, fragte Max.
»Ja. Fahr weiter.«
»Glaubst du, es war das Sandwich?«, fragte Ivy. »Mir ist nicht übel. Ihnen?« Sie richtete die Frage an Max.
»Nein, es kommt vom Autofahren«, sagte Ethan und klang, als wäre es ihm peinlich. »Wir können weiter. Ich will nach Hause.«
»Warum hast du mir nicht gesagt, dass dir im Auto übel wird?«, fragte sie, während Max gleichzeitig sagte: »Ich dachte, das hätte sich gelegt.«
»Offensichtlich nicht«, war Ethans trockene Entgegnung. »Du musst vorne sitzen«, sagte Ivy und öffnete ihre Tür.
»Es geht mir wieder gut.«
»Bitte.« Dann sagte sie zu Max: »Max, er muss vorne sitzen.«
»Gott«, sagte Ethan. »Wenn Sie's glücklich macht.«
Schnell wechselten sie die Plätze, Ivy rutschte nach hinten, hinter Max.
Als sie ihre Wohnung erreichten, war es fast zehn.
»Tut mir leid, dass dir übel geworden ist«, sagte Ivy, als sie
aus dem Wagen stieg. Ethan grinste. »Aber eins war ziemlich lustig«, sagte er und überraschte sie mit direktem Blickkontakt. »Ich hab dem anderen Auto auf die Windschutzscheibe gekotzt.«
Ivy nickte und lächelte, als sie zurückdachte. »Ziemlich lustig.«
»Magst du sie?«, fragte Ethan seinen Vater, als sie davonfuhren.
»Ich arbeite mit ihr zusammen«, entgegnete Max, weil er es nicht besser beschreiben konnte.
»Ist das alles?«
»Das ist alles.«
Max hatte sich über die Jahre nicht oft verabredet. Vor allem war er vor Frauen geflohen, die sich mit ihm verabreden wollten. Er hatte sich zwei Jahre lang mit einer Verteidigerin getroffen. Und mit Ethans Kinderärztin, die so gnadenlos hinter ihm her gewesen war, dass er schließlich aufgegeben hatte und mit ihr ausgegangen war. Beide Frauen waren klug und charmant - aber ausgesprochen gestresst. Es hatte einfach nicht gepasst. In beiden Fällen waren zwei sehr gestresste Wesen aufeinandergetroffen, und die Auslöser für den Stress waren dermaßen unterschiedlich, dass die Beziehungen nie auch nur den Hauch einer Chance gehabt hatten.
»Warum hast du sie gefragt, ob sie heute mitkommen wollte?«, fragte Ethan.
»Sie kennt niemanden in Chicago und hat kein Auto, also dachte ich, vielleicht will sie mal rauskommen.« »Okay«, sagte Ethan, klang aber nicht überzeugt. »Ich versichere dir, das einzige, was sie mit mir anstellen will, ist Zielschießen. Und im Übrigen: Ich bin dein Vater, und daher ist meine Mutter auch deine Großmutter.«
Ethan legte die Arme vor der Brust über Kreuz. »Meinetwegen.«
Max' Strategie hatte immer darin bestanden, schwierigen Themen auszuweichen, aber Ivys Bemerkungen von vorher
fielen ihm wieder ein, und plötzlich sagte er »Was eigentlich für ein Problem mit mir? Warum versucht du so sehr, dich abzukapseln?«
»Darüber will ich nicht reden.«
»Ich aber.«
»Willst du damit sagen, ich muss mit dir darüber sprechen? Ist das ein Befehl? Eine Anweisung? Krieg ich noch länger Hausarrest und darf immer noch nicht Auto fahren, wenn ich nicht mit dir rede?«
So viel zu Ivys Ratschlägen, dachte Max und wünschte, er hätte nichts über Ethans Verhalten gesagt. Kaltblütige Mörder zu verhören war leichter, als ein Gespräch mit seinem Sohn zu führen.
Am Abend ging Ivy den Tag noch einmal im Kopf durch. Es war eigenartig. Wenn sie an ihr Baby dachte, dann immer als Baby - für immer jung. Über die Jahre hatte sie sich immer wieder vergegenwärtigen müssen, nein, jetzt wäre er sechs, jetzt wäre er neun. Aber wie oft auch immer sie sich das vergegenwärtigte, sie sah ihn immer nur als Baby vor sich, das Gesicht verschwommen. Er schien immer so weit weg zu sein.
Sechzehn ... Wäre er am Leben, dann wäre ihr Baby jetzt kein Baby mehr, sondern ein junger Mann. Er wäre in Ethans Alter.
Sie zog
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