Anne Frasier
Mitternacht. Glaubst du, er hat mich erkannt? Sagt er es meinen Eltern?«
»Als er dich das letzte Mal gesehen hat, warst du blond. Und selbst wenn er dich erkannt hat, wird er wahrscheinlich nichts sagen.«
»Dein Dad ist so cool.«
»In zehn Minuten findest du ihn nicht mehr cool. Komm, zieh dir was an und verschwinde.«
Ethan wollte sie nicht gehen lassen, hatte keine Lust, Max' Zorn allein auszuhalten, aber das hier ging Heather nichts an. Das war seine Sache. Familie.
Stubenarrest-bis-du-achtzehn-bist.
Ohne jede Scham erhob sich Heather und zog ihren BH und ihr Shirt an.
Sie war in letzter Zeit oft hier gewesen, und vorhin hatte sie ihm gestanden, dass sie ihn mochte, und hatte ihn gefragt ob er mit ihr kiffen und ein bisschen fummeln wollte - ein Vorschlag, der ihn zugleich erregte und erschreckte. Irgendwann in der letzten Stunde hatte sie freiwillig BH und Shirt ausgezogen. Er hatte sich gerade gefragt, ob sie von ihm erwartete, dass er es mit ihr machte, er hatte sich gefragt, ob er es mit ihr machen wollte, als sein Dad aufgetaucht war.
Ethan vermutete, dass Sex für Heather eine faszinierende Neuentdeckung war, wie wenn jemand anders zum ersten Mal die Pixies hörte und dann loszog und sich alle ihre CDs kaufte. Was nicht so einfach war, wie Ethan wusste, denn es gab so viele EPs und B-Seiten, ganz zu schweigen von den ganzen Bootlegs.
»Na dann bis bald«, sagte Heather.
Ihm wurde klar, wie bekloppt er war. Er hatte angefangen, über diesen Pixies-Schwachsinn nachzudenken, wo er doch überlegen musste, wie er sich am besten seinem Dad gegenüber verhielt. Er dachte reumütig daran, wie gut es sich angefühlt hatte, als ihre Haut an seiner lag, wie toll sie roch. »Ja, bis bald.«
»Ich hoffe, du kriegst nicht zu viel Ärger.«
Ethan glaubte, zu hören, wie die Dusche abgedreht wurde. Er bedeutete ihr, abzuhauen, wedelte mit der Hand in Richtung Tür. »Los! Los!«
Als sie weg war, zog er sein Hemd an und öffnete das Fenster. Er hoffte, sein Vater hätte nichts außer dem Räucherstäbchen bemerkt. Dann schnappte er sich das Visine und quetschte in beide Augen ein paar Tropfen, der Rest lief ihm übers Gesicht. Warum zum Teufel war Max heute so früh gekommen? Es war ja nicht so, als würde er jeden Abend mit Heather Green im Bett rumtollen.
Als er daran zurückdachte, wie sein alter Herr sie erwischt hatte, musste er kichern, dann hob er eine Hand vor den Mund. Schluss jetzt. Er musste nachdenken. Abwehr ist die beste Offensive. Abwehr ist die beste Offensive ...
Max war nicht mal sicher, dass Ethan noch da sein würde, wenn er fertig geduscht hatte. Überraschenderweise war er das aber. Max traf ihn am Küchentisch. Barfuß. Er trug eine ausgebeulte Cargohose und ein schwarzes Stereolab-T-Shirt. Hatte die Arme verschränkt und guckte beleidigt.
»Ich möchte hoffen, du hast ein Kondom benutzt«, sagte Max.
Ethan antworte nicht. »Hast du?«
Ethan wand sich ein wenig. »Hätte ich ... wenn wir so weit gekommen wären.«
»Erwartest du, dass ich glaube, das war das erste Mal, dass so was passiert ist?« Jetzt müsste er einen Satz sagen wie: »Ich bin ja nicht von gestern.«
Max wollte sich gerade über Ethans Kifferei äußern, als Ethan ihn abrupt unterbrach.
»Ich will was wissen über meine Mutter. Meine echte Mutter. Und meinen echten Vater.« Max versuchte, Zeit zu schinden. »Wie meinst du das?«
»Ich meine, ich habe rausgekriegt, dass Cecilia nicht meine echte Mutter war.« Ethan wurde leichenblass, und als er weitersprach, zitterten seine Lippen und seine Stimme. Aber er machte weiter, sprach unaufhaltsam. »Ich habe rausgekriegt, dass sie mich adoptiert hatte. Stimmt das?«
So oft hatte Max sich vorgestellt, Ethan von der Vergangenheit zu erzählen, seiner Mutter, aber der richtige Augenblick war nie gekommen. Zuerst war er zu jung gewesen. Dann plötzlich war er zu alt, die Lüge, die eigentlich keine Lüge war, war schon zu groß geworden. Aber irgendwie hatte er es herausbekommen. Ethan fummelte an den Klettverschlüssen seiner Hosentaschen herum. »Es gibt eine Seite im Internet, wo sie die richtigen Eltern von einem suchen.«
Max verspürte ein überwältigendes Gefühl des Verlustes.
Ethan. Er liebte seinen Sohn. Liebte ihn genauso sehr, wenn nicht mehr, wie sein biologischer Vater das gekonnt hätte. Oder nicht? Denn wie konnte das Herz sich voller anfühlen? Aber Max wusste auch, dass sie sich seit dreizehn Jahren auf diesen Moment zu bewegten. Max versuchte,
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