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Anne Frasier

Anne Frasier

Titel: Anne Frasier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marinchen
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gleichermaßen.
    Plötzlich dachte Max an einen Moment vor zehn Jahren, als Ethan weinend nach Hause gekommen war, weil ein älteres Kind ihm an seinem ersten Schultag seinen Scooby-Doo-Rucksack gestohlen hatte.
    Zehn Jahre...
    So viel konnte sich in zehn Jahren verändern. Ethan war damals ein Kind gewesen, hatte Kindertränen geweint. Jetzt war er beinahe ein Mann. In zwei Jahren wäre er alt genug, zu wählen und in den Krieg zu ziehen. In zwei Jahren wäre er alt genug, auszuziehen, wenn er wollte.
    Max wusste, dass Ethan nicht wollte, dass er ihn weinen sah, und Max wollte ihm gern die Privatsphäre gewähren, aber er konnte den Abend nicht so enden lassen, nicht ohne seinem Sohn noch etwas zu sagen, die ungeschminkte, ungetrübte Wahrheit.
    »Ich habe dich adoptiert, weil Cecilia mich darum gebeten hat«, sagte Max von der Tür aus. »Aber manchmal erfährt man Glück, wo man es am wenigsten erwartet. Ich bin einer dieser Menschen. Du hast etwas in mein Leben gebracht, was mir fehlte. Du bist mein Sohn. Und ich liebe dich mehr, als ich jemals sagen kann. Und ich kann nicht einmal anfangen, mir vorzustellen, wie leer mein Leben ohne dich wäre.«

25
    Ivy träumte oft von der Nacht, in der sie hatte ermordet werden sollen. Aber jetzt, nachdem sie in ihrer alten Wohnung gewesen waren, durchlebte sie den Angriff zwei-, oft sogar dreimal pro Nacht. Und jedes Mal war der Traum gleich. Jedes Mal anders. Immer schmerzhaft, immer brutal und erdrückend und so echt.
    Jede Nacht sagte sie sich, dass es ein Traum war. Nur ein Traum.
    Aber die Musik.
    Sie klingt so echt.
    Direkt vor der Tür.
    Das sind nur die Leute von unten.
    Und der Atem direkt neben meinem Ohr?
    Nur Jinx.
    Der Geruch.
    Das Haus ist alt.
    Aber die Musik. Sie klingt so echt. Direkt vor der Tür.
    Öffne deine Augen. Öffne deine Augen, und der Traum wird enden.
    Im Traum öffnete sie die Augen. Und stellte fest, dass sie noch immer träumte.
    Öffne deine Augen, und du wirst sehen, es ist nur ein Traum.
    Wie ein Taucher, der aus großer Tiefe hochschoss, strampelte sie mit den Füßen und schwamm, schwamm nach oben.
    Sie öffnete die Augen.
    Lichtstreifen von der Straßenlaterne schlüpften durch die Jalousie, warfen geometrische Muster auf Wände und Boden.
    Noch halb im Traumland dachte sie: Irgendetwas ist ko misch. Irgendetwas ist nicht in Ordnung.
    Die Musik.
    Die Musik war immer noch zu hören. Blechern. Nur die Melodie, es klang, als käme sie aus einer winzigen Spieluhr.
    Hush little baby, don't say a word.
    Mamma's gonna buy you a mockingbird,
    lf that mockingbird don't sing,
    Mamma's gonna buy you a diamond ring.
    Keuchend schoss Ivy hoch, jetzt war sie hellwach.
    Gott.
    Sie hob eine Hand an die Brust, tastete nach einem Kreuz, das sie nicht mehr trug.
    Wer war das?
    Wo kam das her?
    Von draußen.
    Sie schlug die Decke zur Seite und stand auf. Ohne das Licht anzuschalten, ihre Augen waren an die Dunkelheit gewöhnt, ging sie in Richtung der langsam verklingenden Töne. Durch die Küche, zur verschlossenen Tür.
    Plötzlich endete die Musik.
    Sie schaute hinunter zum Türknauf. Jinx' Halsband hing dort, wo sie es hingehängt hatte.
    Sie legte ihre Hand auf das Glöckchen, damit es keinen Laut von sich gab. Vorsichtig, langsam, öffnete sie den Riegel, zog die Tür auf, bis die Kette sich spannte.
    Nichts. Niemand.
    Sie wartete.
    Lauschte.
    Dann löste sie leise die Kette ... und öffnete die Tür noch ein paar Zentimeter.
    Niemand.
    Kein Mensch.
    Sie stieß den Atem aus, war sich des panischen Pochens ihres Herzens bewusst. Hinter ihr miaute Jinx fragend. Sie dachte schon, sie hätte sich das alles eingebildet, als ein letzter kristallklarer Ton erklang.
    Sie sog den Atem ein, ihr Blick flog von der gewundenen Treppe zum Fußboden vor ihr.
    Dort, direkt vor ihrer Tür, stand eine Schneekugel-Spieluhr.
    Die verschiedenen Möglichkeiten rasten ihr durchs Hirn. War das ein kranker Scherz? Hatte der Madonna-Mörder dieses Ding zurückgelassen? Wenn ja, warum hatte er sie auserwählt? Wusste er, wer sie wirklich war? War er noch im Haus?
    Erst bei diesem Gedanken knallte sie die Tür zu, schloss ab, ärgerte sich darüber; dass sie überhaupt geöffnet hatte. Dann lief sie zum Telefon und rief Max an.
    Er meldete sich beim zweiten Klingeln, die Stimme verschlafen. »Irving«, murmelte er.
    Ivy hielt den Hörer mir beiden Händen, ihre Worte purzelten aus dem Mund. »Max. Der Madonna-Mörder war vielleicht gerade h ier. Sie müssen das Gebäude

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