Anne Gracie
Armenhäuser besuchen und
herausfinden, wohin die Babys geschickt werden. Du und ich fahren dann direkt
dorthin. Dadurch wird die Suche viel effizienter.“
„Das ist
eine großartige Idee“, stimmte sie zu. Zwei ehemalige Offiziere würden
sich nicht so leicht abwimmeln lassen. Wenn es Neuigkeiten gab, dann würden sie
sie erfahren. Und ob die beiden Männer nun über sie Bescheid wussten oder
nicht – was war wichtiger, Nells Ruf oder dass Torie gefunden wurde? Die Entscheidung
fiel ihr leicht. „Ich habe gar nichts dagegen, dass du sie einweihst. Mir ist
es gleich, was sie über mich denken, Hauptsache, ich finde meine
Tochter.“
Er warf ihr
einen scharfen Blick zu. „Sie werden nichts anderes als großen Respekt vor dir
haben.“
Die
Gaslaternen
erhellten die stillen Straßen von Mayfair. Es war schon spät. Als sie in der
Mount Street anhielten, stieg Harry zuerst vom Zweispänner und hob dann Nell
herunter. Er entlohnte den Stallburschen, und sie gingen ins Haus.
Kaum waren
sie durch die Tür, da kam seine Tante auch schon aus dem Salon geeilt. „Meine
Lieben, wo seid ihr die ganze Zeit gewesen? Nell, mein liebes Mädchen, Sie
sehen erschöpft aus. Harry, deine schrecklichen geschäftlichen Angelegenheiten
haben ...“
Nell machte
sich auf eine gründliche Befragung gefasst.
„Nell hat
Kopfschmerzen“, unterbrach Harry den Redeschwall seiner Tante. „Du wirst
sie entschuldigen müssen. Sie zieht sich in ihr Zimmer zurück und legt sich
hin.“ Er legte Nell die Hand auf den Rücken und schob sie sanft, aber
bestimmt auf die Treppe zu.
Nell ging
bereitwillig mit. „Aber ich habe doch gar keine Kopfschmerzen!“, sagte
sie, oben angekommen.
Er blieb
stehen. „Was würdest du jetzt lieber tun – ein Bad nehmen, ein leichtes
Abendessen in deinem Zimmer serviert bekommen und früh schlafen gehen oder
wieder nach unten gehen und dich von meiner Tante über deinen gesamten
Tagesablauf ausfragen lassen? Du brauchst es nur zu sagen.“
Sie sah ihn
verblüfft an. Er hatte tatsächlich gespürt, wie anstrengend es für sie wäre,
nach einem solchen Tag seiner Tante Gesellschaft leisten zu müssen. „Nein!
Nein, ein Bad und eine ruhige Nacht wären himmlisch. Deine Tante ist
wundervoll, aber ich fühle mich ein wenig ... müde.“ Elend wäre das
treffendere Wort gewesen, aber sie wollte sich nicht selbst bemitleiden. Morgen
war ein neuer Tag. „Was wirst du jetzt machen?“
„Ich werde
an Rafe und Luke schreiben.“ Er überließ sie ihrer Zofe und ging.
Cooper goss Duftöl ins Badewasser und
verteilte es darin. „Miss Bragge hat mir dieses Öl und eine besondere Seife für
Sie gegeben, Mylady. Es kommt aus Frankreich und duftet herrlich, nach Vanille,
Apfelblüten und noch irgendetwas anderem.“
Nell hatte
eigentlich nicht die geringste Lust zu plaudern, aber Cooper gab sich solche
Mühe, sich als würdige Zofe zu erweisen, dass Nell es nicht übers Herz brachte,
sie zum Schweigen aufzufordern. „Ich werde mich bei Miss Bragge
bedanken“, sagte sie. „Das ist sehr freundlich von ihr.“
„Sie hilft,
mich auszubilden, Mylady. Sie hat mir auch noch einen Tiegel mit Extrakt von
Schildkrötenöl mitgegeben für Ihren Teint und sagte, Sie sollten Ihre Haut
täglich morgens und abends damit einreiben.“
„Extrakt
von Schildkrötenöl?“ Nell beäugte den Tiegel mit zweifelndem Blick.
„Es ist
sehr teuer“, teilte Cooper ihr stolz mit und half ihr aus dem Kleid.
„Ich habe
nie viele Pflegemittel benutzt“, erwiderte Nell. Sie hatte nie das Geld
für solche Dinge besessen.
Cooper
schnalzte missbilligend mit der Zunge. „Jede Haut braucht Pflege, Mylady. Noch
ist Ihre Haut wunderschön, aber Sie wollen doch gewiss, dass das auch noch so
bleibt, wenn Sie älter sind, nicht wahr? Damit Mr Harry Sie
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