Anne Gracie
weiterhin so
ansieht, als würde er Sie am liebsten aufessen!“
„Mich
aufessen?“ Nell sah überrascht auf.
Cooper
lächelte. „Wie ein halb verhungerter Hund, der einen saftigen Knochen sieht,
Mylady.“
„Du liebe
Güte“, murmelte Nell matt. Sie zog ihr Unterhemd aus und stieg in den
Badezuber. Es machte sie ein wenig verlegen, sie war es nicht gewohnt, eine
Zofe zu haben, und seit sie ein kleines Kind gewesen war, hatte sie sich nicht
mehr nackt vor einem anderen Menschen gezeigt. Ob Cooper ihrem Körper wohl ansehen
konnte, dass sie ein Kind zur Welt gebracht hatte?
Sie ließ
sich ins Wasser sinken, das duftete und wunderbar heiß war. Ganz langsam fiel
etwas von ihrer Müdigkeit und Anspannung von ihr ab. Nachdenklich seifte sie
den Waschlappen ein. Ein halb verhungerter Hund, der einen saftigen Knochen
sieht?
Natürlich
hatte Cooper eine ausgeprägte romantische Ader, das war nicht zu übersehen. Sie
glaubte, Nell würde eine romantische Liebesheirat eingehen, während Harry Nell
gegenüber ganz nüchtern und sachlich seine Gründe für diese Ehe erläutert
hatte. Ihr Titel würde
für ihn von Nutzen sein und sie selbst, mit ihrer Erfahrung mit Pferden,
ebenfalls. Außerdem kannte sie den Besitz und die Leute, die dort arbeiteten.
Ja, das Ganze war wirklich sinnvoll. Dennoch löste Coopers Bemerkung ein wenig
Angst in ihr aus. Nell wusch sich gründlich und erlaubte Cooper dann, ihr den
Rücken zu schrubben und ihr das Haar zu waschen. Sie massierte Nell ausgiebig
die Kopfhaut und den Nacken. Es war himmlisch. Harry Morant hatte von Anfang an
unmissverständlich klargemacht, dass er Nell begehrte.
Sie schloss
die Augen und spülte den Seifenschaum mit warmem Wasser ab. Sie wickelte sich
ein Handtuch um den Kopf, stieg aus dem Zuber und trocknete sich vor dem Kamin
ab.
Cooper
brachte ihr das alte Nachthemd und streifte es ihr über. Nell schämte sich ein
wenig für das abgetragene und geflickte Kleidungsstück. Sie hatte nicht
vorgehabt, es jemals jemanden sehen zu lassen. Miss Bragge hatte bestimmt
einige vernichtende Bemerkungen über ihre Garderobe auf Lager.
Während
Cooper den Abtransport des Zubers und des Wassers überwachte, kniete Nell sich
auf den Teppich vor dem Kamin und begann ihr Haar zu trocknen. Sie erinnerte
sich noch daran, wie sie das immer mit ihrer Mutter getan hatte. Mama hatte
Nells Haar immer mit dem Handtuch vorgetrocknet und es dann liebevoll
ausgekämmt. Oft hatte sie Nell dabei eine Geschichte erzählt ...
Nell
schluckte krampfhaft. Ob sie das wohl jemals auch mit Torie tun konnte?
Als ihr
Haar fast trocken war, setzte sie sich an den Frisiertisch. Sie nahm den Tiegel
mit dem Schildkrötenöl, schraubte den Deckel ab und roch daran. Eigentlich
duftete es ganz angenehm. Sie tauchte den Finger hinein und verteilte etwas von
dem Öl auf ihrer Haut. Es fühlte sich kühl und besänftigend an.
Sie
betrachtete sich im Spiegel. Ihr eigenes unauffälliges Gesicht blickte ihr
entgegen. Wenn sie doch nur Mamas Aussehen geerbt hätte und nicht das von Papa.
Mama war eine Schönheit gewesen.
Sie
verstand nicht, was Harry Morant so begehrenswert an ihr fand, sie musste es wohl
einfach so hinnehmen. Ein köstlicher Schauer überlief sie. Nein, an seinem
Begehren hatte sie keinen Zweifel.
Doch es
beunruhigte sie auch. Weil er sie so sehr begehrte, hatte er alles andere
stehen und liegen gelassen, nur um sie nach London zu bringen und nach Torie zu
suchen, nach einem Kind, das nicht einmal sein eigenes war und dessen Existenz
skandalöse Folgen für ihn haben konnte.
Seine
Bereitwilligkeit, ihre Tochter zu akzeptieren, brachte sie fast zum Weinen vor
Dankbarkeit. Er hatte die Suche sogar richtig organisiert, wie ein Soldat, der
einen
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