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Anne Gracie

Anne Gracie

Titel: Anne Gracie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zarte Küsse der Sehnsucht
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sie
da­mals zu Fuß in ei­ner Wo­che. Hät­te sie sei­ner­zeit Geld für ei­ne Kut­sche
ge­habt, hät­te sie To­rie viel­leicht schon vor Wo­chen ge­fun­den, aber so ...
    Ein Teil
von ihr, der zor­ni­ge, ver­zwei­fel­te und schuld­be­wuss­te Teil, re­de­te ihr im­mer
wie­der ein, dass sie To­rie ge­fun­den hät­te, wä­re sie in den ers­ten Wo­chen nur
be­harr­lich ge­blie­ben.
    Der an­de­re,
ru­hi­ge­re Teil er­in­ner­te sie dar­an, wie hilf­los sie sich nach ih­rem
Zu­sam­men­bruch auf der Stra­ße und um­ge­ben von Frem­den ge­fühlt hat­te. Wie
schreck­lich es ge­we­sen war, wie­der zu sich zu kom­men, nach­dem die­se Frem­den
ih­re Klei­dung durch­sucht und ih­ren Kör­per be­rührt hat­ten.
    An je­nem
letz­ten Tag war sie ohn­mäch­tig ge­wor­den und nass und frie­rend wie­der zu sich
ge­kom­men. Ih­re Fin­ger wa­ren blau vor Käl­te ge­we­sen; sie muss­te ei­ne gan­ze Wei­le
be­wusst­los da­ge­le­gen ha­ben. Ihr Hut, ih­re Hand­schu­he und so­gar ihr Ta­schen­tuch
wa­ren ver­schwun­den. Sie konn­te von Glück re­den, dass die Die­be ihr nicht auch
noch das Kleid ge­stoh­len hat­ten. Viel­leicht wä­re sie er­fro­ren, wenn Freck­les
sich nicht dicht an sie ge­schmiegt und sie ge­wärmt hät­te. Zu­erst hat­te Nell
nicht ste­hen kön­nen, so schwach war sie ge­we­sen. In der Nacht war ihr klar
ge­wor­den, dass sie sehr leicht hät­te ster­ben kön­nen in den Stra­ßen Lon­d­ons,
un­be­ach­tet und von nie­man­dem ver­misst.
    Es war
rich­tig ge­we­sen, nach Fir­min Court zu­rück­zu­keh­ren, um sich Geld und Hil­fe zu
ho­len, da­mit sie gründ­li­cher wei­ter­su­chen konn­te. Doch da hat­te sie noch nicht
ge­wusst, dass sie nichts mehr be­saß und noch hilflo­ser sein wür­de als zu­vor.
    Sie hass­te Hilf­lo­sig­keit.
    Wenn sie
mit Mrs Be­as­ley nach Lon­don ge­fah­ren wä­re, hät­te sie nie die Chan­ce ge­habt, in
die­sen Dör­fern vor den To­ren Lon­d­ons zu
su­chen. Wahr­schein­lich hät­te sie nicht ein­mal von ih­nen er­fah­ren. Vor­her hat­te
ihr nie je­mand er­zählt, dass al­le Fin­del­kin­der und
ver­wais­ten Ba­bys, die man in ein Lon­do­ner Ar­men­haus ge­bracht hat­te, aufs Land
ge­schickt wur­den. Man hat­te ihr nur im­mer wie­der ge­sagt, in der be­tref­fen­den
Ein­rich­tung gä­be es kei­ne Ba­bys. Dumm wie sie war, hat­te Nell das ge­glaubt.
    Warum bloß hat­ten sie ihr nie ge­sagt, dass
die Ba­bys weg­ge­schickt wur­den? Sie hät­te schrei­en mö­gen vor hilflo­sem Zorn. Die­se
Un­ter­las­sung hat­te sie wert­vol­le Zeit ge­kos­tet, in der sie sich von Ar­men­haus
zu Ar­men­haus ge­schleppt hat­te; ein Zeit­ver­lust, den sie sich nicht leis­ten
konn­te und To­rie eben­falls nicht.
    Wenn sie
da­mals nur schon Har­ry Mo­rant ge­kannt hät­te! Har­ry war kein Mann, der leicht
über­se­hen wur­de. Er hak­te im­mer nach, und wenn es nö­tig war, setz­te er
Ein­schüch­te­rung oder Be­ste­chung ein, um an wich­ti­ge In­for­ma­tio­nen
her­an­zu­kom­men.
    Sie bo­gen
schwan­kend um ei­ne Kur­ve und Nell lehn­te sich an ihn, dank­bar für das Wun­der,
das sie zu die­sem Mann ge­führt hat­te. Er re­de­te nicht dar­über, was er tun
könn­te oder ge­tan hät­te – er tat ein­fach, was er tun konn­te. Oh­ne viel
Auf­he­bens.
    Sie
er­reich­ten die Stra­ße, die nach Lon­don hin­ein­führ­te, und hiel­ten kurz an, um
die La­ter­nen der Kut­sche an­zu­zün­den. Nach ei­ner wei­te­ren Mei­le bog Har­ry je­doch
wie­der von der Stra­ße ab und fuhr in ei­ner an­de­ren Rich­tung wei­ter.
    „In
Is­ling­ton gibt es auch ein Ar­men­haus“, er­klär­te er. „Es ist nicht weit von
der Stra­ße nach Lon­don ent­fernt, dein Va­ter könn­te mög­li­cher­wei­se dort­hin
ge­gan­gen sein. Wir fra­gen nach, wo­hin sie ih­re Ba­bys schi­cken, dann kön­nen wir
dort gleich mor­gen früh wei­ter­su­chen.“
    Sie nick­te
stumm.
    Er sah sie
an und drück­te sie kurz an sich. „Mü­de?“
    „Ein
we­nig.“
    Har­ry
schwieg ei­ne Wei­le. „Ich hät­te gern dei­ne Er­laub­nis, mei­ne Freun­de Ra­fe und
Lu­ke mit ins Ver­trau­en zu zie­hen. Wir wa­ren zu­sam­men in der Ar­mee, und sie sind
wirk­lich gu­te Freun­de. Sie könn­ten die ver­schie­de­nen

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