Anne Gracie
braunes Reitkostüm, abgetragen und aus der Mode gekommen. Das
abgelegte Kostüm einer anderen Frau, vermutete er; es war um die Brust herum
zu weit und um die Taille zu eng.
Sie drehte
sich abrupt um und sank zu Boden. „Oh Gott, oh Gott.“ Sie schlang die Arme
um sich. „Ich habe nicht geglaubt, dass ich es schaffen würde. Ich dachte, sie
würde ... die beiden würden
...“ Sie verstummte und holte ein paar Mal tief Luft. „Als ich das Fohlen
im Mutterleib ertastet habe ...“ Sie ließ den Kopf auf die Knie sinken.
„Gott sei Dank.“
„Sie haben
das noch nie zuvor gemacht?“
Noch ein
paar tiefe Atemzüge, dann sah sie auf und schüttelte den Kopf. „Nein.“
Eine Träne rann über ihre Wange.
Harry hätte
sie am liebsten fortgeküsst, stattdessen reichte er der jungen Frau sein
Taschentuch.
Sie zuckte
zusammen, als er mit der Hand ihren Arm streifte, fast, als hätte sie seine
Anwesenheit ganz vergessen. Sie starrte auf das Taschentuch. „Was soll ich
damit?“
„Sie
weinen.“
„Nein, das
tue ich nicht“, behauptete sie rasch. Sie rieb sich mit der Hand über die
Wangen. „Ich weine nie. So etwas ist sinnlos.“
Harry zog
die Brauen hoch, doch ehe er etwas dazu sagen konnte, war sie wieder
aufgestanden und drehte sich um, um die Stute zu betrachten.
Die junge
Frau war sehr dünn und wirkte noch erschöpfter als beim letzten Mal, als er sie
gesehen hatte. Jemand sollte sich besser um sie kümmern, dachte er verärgert.
Wer war
sie? Die Tochter eines Stallburschen? Eines Bauern? Lebte sie hier irgendwo in
der Nähe?
Er konnte
sein Glück nicht fassen, sie wiedergefunden zu haben. Das Schicksal gab ihm
eine zweite Chance. Harry war kein Mann, der eine zweite Chance nicht nutzte;
so etwas wurde einem viel zu selten im Leben gegönnt. Allerdings hatte er auch
nicht vor, die Dinge zu überstürzen. Sie war angespannt, das merkte er ihr
deutlich an.
„Ich weiß
noch, wie Toffee selbst auf die Welt gekommen ist“, sagte sie nach einer
Weile.
„Sie ist
ein schönes Tier. Man sieht ihr an, dass Araberblut in ihren Adern fließt. Ich vermute,
sie bewegt sich sehr anmutig.“
Sie sah ihn
nachdenklich an. „Ja, und sie ist auch sehr schnell.“
Aus der
Nähe konnte er winzige goldene Einsprengsel in ihren großen bernsteinfarbenen
Augen erkennen. Unter seinem Blick nahmen sie einen wachsamen, beinahe
verlegenen Ausdruck an. Die Frau wandte sich wieder der Stute zu.
„Ich nehme
an, deswegen ist sie auch noch hier. Man kann sie einfach nicht
einfangen.“
„Ihnen
scheint das ja gelungen zu sein.“ Nur zu gern hätte Harry die Strähnen in
ihrem Nacken berührt und die zarte Haut dort gestreichelt.
„Ja, aber
mir vertraut sie auch.“
„Das
überrascht mich nicht. Gehört sie Ihnen?“
„Nein ...
nein.“ Sie schien noch etwas sagen zu wollen, schwieg dann aber.
„Ihrem Fell
nach zu urteilen, ist sie in letzter Zeit nicht besonders gut gepflegt
worden“, stellte Harry fest.
„Nein.“
„Eine
ungewöhnliche Behandlung für eine wertvolle trächtige Stute.“
„Allerdings.“
„Das gilt
auch für den Rest dieses Anwesens“, fuhr Harry fort. „Alles ist seit
Jahren vernachlässigt worden. Nur die Stallungen sind noch so weit in Ordnung,
dass sie genutzt werden können.“
Sie
seufzte. „Ich weiß.“
Er neigte
den Kopf zur Seite und sah sie an. „Sie reden auch nicht gerade wie ein
Wasserfall, nicht wahr?“
Sie zuckte
die Achseln.
Um Harrys
Mundwinkel spielte ein Lächeln. Und die Leute nannten ihn maulfaul!
Flüchtig stieg ihm ihr Duft in die Nase, und er versuchte, ihn einzuordnen.
Kernseife? Nicht unbedingt der typische Duft für eine junge Frau.
Wahrscheinlich hatte sie sich für die Geburt damit gewaschen.
Sie standen
nebeneinander an der Boxentür und beobachteten, wie die Stute ihr Fohlen
säuberte, es von den
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