Anne Gracie
Kleidung.
„Ich wusste
es nicht, ich war noch nie hier“, antwortete er zu ihrer Überraschung. „Es
ist auch Gabriels erster Besuch in Alverleigh – und er ist ein ehelicher
Sohn.“
Kein
Wunder, dass er verbittert war. Allerdings blieb ihnen keine Zeit mehr, darüber
zu sprechen, denn die Pferde kamen zum Stehen, und Bedienstete eilten herbei,
um ihnen beim Aussteigen zu helfen und das Gepäck zu übernehmen.
Ein
hochgewachsener Gentleman lief die Treppe hinunter, immer drei Stufen auf
einmal nehmend. Nell brauchte nicht zu fragen, wer er war; er sah Harry zum
Verwechseln ähnlich, nur sein Haar war dunkler.
Die beiden
Männer umarmten sich und klopften einander lachend auf die Schultern.
„Onkel
Harry!“, ertönte eine helle Kinderstimme, und Nell drehte sich um. Zwei
kleine Jungen rannten in halsbrecherischem Tempo die Treppe hinunter, der
Kleinere der beiden nahm dabei keine Rücksicht auf sein unübersehbares Hinken.
„Nicky!“
Harry hob den hinkenden Jungen hoch und wirbelte ihn lachend im Kreis. „Jim!
Wie groß ihr geworden seid!“ Er packte den anderen Jungen und hängte sich
dann beide Kinder über die Schultern, die in gespieltem Erschrecken vor
Vergnügen kreischten.
Er würde
ein wundervoller Vater sein, dachte Nell wehmütig. Sie konnte ihn sich gut
vorstellen mit einer kleinen Tochter ...
Nell
merkte, dass sie neugierig von einem kopfüber hängenden Prinzen beäugt wurde,
und zwang sich zu einem Lächeln. „Ich weiß genau, wie sich das anfühlt“,
sagte sie zu ihm.
Lachend
stellte Harry die beiden Jungen wieder auf die Erde und machte sie und Gabriel
mit Nell bekannt.
„Das ist
also meine neue Schwester. Ich freue mich sehr, Sie kennenzulernen.“
Gabriel lächelte sie herzlich an und küsste sie auf die Wange. Er hatte
auffallend blaue Augen, aber abgesehen davon war die Ähnlichkeit mit Harry
erstaunlich.
Zu Nells
Begeisterung begrüßten die Jungen sie mit einer bezaubernden Förmlichkeit: In
perfektem Einklang schlugen sie die Hacken zusammen und verneigten sich steif.
Gleich darauf rannten sie schon wieder los, um sich Sabre anzusehen, der von
einem Stallburschen mitgebracht worden war.
„Junge
Wilde“, lachte Gabriel und bot Nell seinen Arm. „Kommen Sie, Callie kann es
kaum erwarten, Sie kennenzulernen.“
„Aber die
Jungen sollten sich vor Sabre in Acht nehmen ...“, begann Nell.
„Sie sind
zindarianische Jungs, mittlerweile auch Jim“, beruhigte Gabriel sie. „Sie
sind an zindarianische Pferde gewöhnt. Sabre ist ein Schmusekätzchen im
Vergleich zu manchen Pferden in den königlichen Stallungen. Ach, da ist ja
meine Callie.“ Seine Stimme wurde weich.
Oben auf
der Treppe stand eine Frau mit dunklem, gelockten Haar und einem reizenden
Gesicht. Die Prinzessin. Sie war klein und rundlich. Sehr rund sogar.
Nell blieb
unwillkürlich stehen und starrte sie an. Harry eilte an ihr vorbei die Stufen
hinauf und begrüßte die Prinzessin mit einer Umarmung und einem Kuss.
Nell bewegte
sich nicht von der Stelle. Es gab einen Grund, warum die Prinzessin so
rundlich war. Sie war schwanger, unübersehbar wunderbar schwanger.
„Ist alles
in Ordnung mit Ihnen?“, fragte Harrys Bruder.
„Ja, mir
ist nur noch ein wenig schwindelig von der holprigen Fahrt in der
Kutsche“, erklärte Nell heiter. Tief durchatmend stieg sie die Treppe
hinauf, um ihre zukünftige Schwägerin zu begrüßen. Immer einen Schritt nach dem
anderen.
„Ich bin so
glücklich, Sie kennenzulernen“, sagte die Prinzessin und umarmte Nell
herzlich. „Willkommen in unserer Familie. Ich habe mir immer eine Schwester
gewünscht.“
Es war eine
so warmherzige, liebevolle Begrüßung, dass alle Nervosität von Nell
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