Anne Gracie
tief in die Augen, nahm ihre Hand und küsste sie.
Ihre
klaren, bernsteinfarbenen Augen leuchteten vor Liebe. „Ich liebe dich, Harry
Morant“, flüsterte sie.
„Du siehst
bezaubernd aus“, stellte er heiser fest.
„Ja, mein
neues Reitkostüm. Ist es nicht hübsch?“ Sie drehte sich einmal im Kreis.
„Ich habe noch ein anderes bestellt – warte, bis du das erst siehst!“
„Ich mochte
das, was du gestern Nacht anhattest, lieber“, raunte er ihr ins Ohr.
Sie
errötete anmutig und drehte sich um, um seine Freunde zu begrüßen.
„Ja, jetzt
rieche ich die Rosen auch“, rief Luke aus.
„Mein
Badeöl“, gestand sie. „Duftet es nicht köstlich?“
Rafe warf
Harry einen anzüglichen Blick zu. „Köstlich, in der Tat.“
Harry
versuchte, nicht zu lächeln.
Später im
Park beobachtete er Nell, wie sie ihr Pferd die verschiedenen Gangarten
durchexerzieren ließ. „Sie ist eine großartige Reiterin, findest du
nicht?“, murmelte er in Rafes Richtung.
„Ganz
großartig“, stimmte sein Freund zu. „Du bist ein glücklicher Mann, Harry
Morant. Du und Gabriel, ihr seid alle beide zu beneiden.“
Harry warf
ihm einen fragenden Blick zu.
„Ihr habt
beide ganz außergewöhnliche Frauen gefunden. Ich sehe es an euren Augen – erst
bei Gabriel und nun auch bei dir. Ihr seht beide aus wie Männer, die lieben und
geliebt werden.“
Harry war
verblüfft über diese Bemerkung. Rafe war immer so kühl, nichts schien ihm
jemals nahezugehen. Er sprach nie über Gefühle, geschweige denn über Liebe.
Harry
allerdings auch nicht. Bisher jedenfalls nicht. Er sah zu Nell hinüber, die ihr
Pferd gerade von einem leichten Trab zu einem unschicklich rasanten Galopp
antrieb. „Du wirst es auch eines Tages erleben“, war alles, was er sagen
konnte.
Rafe
schüttelte den Kopf. „Das wird nicht geschehen. Mein Schicksal ist so gut wie
besiegelt. Mein Bruder hat die perfekte Zuchtstute für mich ausgesucht,
irgendeine grässliche Erbin mit einem exzellenten Stammbaum.“
Harry sah
ihn mitfühlendend an. Rafes älterer Bruder Lord Axebridge und seine Frau hatten
keine Kinder, daher war es jetzt Rafes Pflicht zu heiraten und für einen Erben
zu sorgen. Der Lord hatte sich mit Feuereifer darangemacht, die passende Mutter
des Erben zu finden, und dabei seine beiden Leidenschaften kombiniert: die
Pferdezucht und das Bedürfnis, die Geldschatullen seiner Familie aufzufüllen.
„So schlimm
ist sie doch bestimmt nicht, oder?“
„Ach, sie
sieht ganz annehmbar aus, zugegeben“, räumte Rafe finster ein, „aber ihr
Lachen hört sich an wie ein Wiehern.“
„Führt denn
gar kein Weg daran vorbei?“
Wieder
schüttelte Rafe den Kopf. „Ich hatte ein Jahr Zeit, mir selbst eine ebenso gute
Partie zu suchen, aber das ist mir nicht gelungen. Im neuen Jahr findet ein
Ball in Axebridge statt. Wenn bis dahin kein Wunder geschieht – dass ich vom
Blitzschlag getroffen werde, zum Beispiel –, wird bei der Gelegenheit die
Verlobung bekannt gegeben. Ich sage dir, Harry, manchmal würde ich am liebsten
meine Familie samt allen Verpflichtungen zum Teufel jagen und bis ans Ende der
Welt flüchten.“
„Wen
werde ich in
Alverleigh alles kennenlernen?“, fragte Nell. Sie und Harry reisten wieder
in einer gelben Postkutsche, und sie merkte
allmählich, wie schwierig es war, sich während einer stundenlangen
Fahrt von ihrer Trauer abzulenken. Bei jeder Kirche, an der sie vorbeifuhren,
wanderten ihre Gedanken wieder zu Torie ... „Was mich betrifft, so ist der
Wichtigste von allen mein Bruder Gabriel“, erklärte Harry. „Er ist ein
großartiger Mensch. Seine Frau Callie
wirst du auch mögen – Prinzessin Caroline von Zindaria“, fügte er
erklärend hinzu.
„Ich bin
noch nie einer
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