Anne Gracie
Rücksicht zu nehmen.“
Callie
legte die Hand auf ihren runden Bauch. „Nach Nickys Geburt habe ich neun Jahre
lang geglaubt, keine Kinder mehr bekommen zu können und ...“ Sie zuckte
leicht zusammen und redete nicht weiter.
Nell
lächelte über den hingerissenen Ausdruck in Callies schönen grünen Augen und
erinnerte sich daran, wie sie zum ersten Mal gespürt hatte, dass Torie sich in
ihr bewegte. „Es ist das wunderbarste Gefühl der Welt, nicht wahr?“,
sagte sie weich. „Dieses hauchzarte Flattern unter dem Herzen zu spüren und zu
wissen, da wächst ein winziges Baby in einem heran. Diese unendliche Liebe, die
man dabei empfindet ...“ Sie verstummte abrupt, weil sie merkte, dass sie
zu viel gesagt hatte.
Die
Prinzessin starrte sie aus geweiteten Augen an.
Nell nagte
an ihrer Unterlippe. Sie hatte niemandem davon erzählen wollen, es war ihr
einfach so herausgerutscht. Doch nun war es passiert, und sie bereute es nicht.
Es war nur richtig, dass Harrys Familie davon erfuhr. Sie hatten Nell als eine
der ihren willkommen geheißen. Irgendwann würden sie ihr Geheimnis erfahren –
wie leicht hatte sie sich vor der Prinzessin verplappert. Und Tante Maude
wusste es auch schon. Wenn die anderen es erst später erfuhren, würden sie das
wie einen Vertrauensbruch empfinden. Nell wollte von ihnen akzeptiert werden,
aber nicht aufgrund der Vorspiegelung falscher Tatsachen. Sie sollten die
Wahrheit wissen. Sie holte tief Luft und begann zu erzählen.
Als die
Männer von den Stallungen zurückkehrten, war der Tee längst kalt und Nell hatte
Callie die ganze Geschichte erzählt. Der einzige Teil, den sie ausgelassen
hatte, war Sir Irwin. Diesen Teil ihrer Vergangenheit wollte sie endgültig
begraben.
Beim
Erzählen hatten beide Frauen geweint und sich umarmt, und Nell hatte eine
Freundin gefunden. Eine Schwester.
Harry
brauchte nur einen Blick auf die geschwollenen Augen der beiden Frauen zu
werfen, um zu ahnen, worüber sie sich unterhalten hatten. Er schickte die
Jungen in die Küche und bat seine Brüder, ebenfalls zu gehen, da fiel Nell ihm
ins Wort.
„Nein,
bitte, bleiben Sie alle hier. Da ist etwas, das ich Ihnen sagen möchte. Es
lastet schon lange auf meinem Gewissen ...“
„Du
brauchst ihnen gar nichts zu erklären“, brauste Harry auf.
„Doch,
Harry. Wenn ich ein Mitglied der Familie werden soll, müssen sie die Wahrheit
erfahren. Sonst käme ich mir wie eine Betrügerin vor.“
„Was für
ein Unsinn. Du wirst meine Ehefrau. Das hat mit Betrug nichts zu tun.“
„Er hat
recht.“ Gabriel durchquerte das Zimmer und legte den Arm um seine Frau.
„Sie brauchen uns gar nichts zu erzählen. Sie sind Harrys zukünftige Frau, das
genügt für uns.“
„Dem stimme
ich zu.“ Callie nahm Nells Hand und drückte sie kurz.
Nash und
der Earl schwiegen.
Nell sah
Harry an. „Wenn du es von mir verlangst, werde ich schweigen.“
Er warf ihr
einen gereizten Blick zu. „Ich bin doch nicht meinetwegen besorgt. Erzähl
ihnen, was du willst, mir macht das nichts aus.“ Er stellte sich neben sie
und verschränkte die Arme vor der Brust, eine eindeutige Beschützergeste.
„Dann
möchte ich es Ihnen gern erzählen. Es wäre mir natürlich lieb, wenn von dieser
Geschichte nichts nach außen gelangen würde, aber ...“
„Seien Sie
unbesorgt, das wird nicht geschehen.“ Nash nahm sich einen
Stuhl und setzte sich. Der Earl blieb steif neben der Tür stehen.
Nell
erzählte ihre Geschichte zügig und mit schlichten Worten. Mit ruhiger Stimme,
die von ihrer emotionalen Erschöpfung zeugte, erzählte sie alles: vom Tag, an
dem sie ihre Schwangerschaft festgestellt hatte, bis zu dem Tag, an dem sie den
Korb vor der Kirche gesehen hatte. Wie es überhaupt zu der Schwangerschaft
gekommen war,
Weitere Kostenlose Bücher