Anne Gracie
wirkte grimmig. „Er hat nur etwas bestätigt, was ich schon vorher
gewusst habe.“
„Und
zwar?“
Er
schüttelte den Kopf. „Es hat mit etwas Geschäftlichem zu tun, nichts mit
dir.“
Sie
runzelte die Stirn. „Auch wenn es schlechte Nachrichten sind, würde ich sie
gern erfahren.“
„Es sind
keine schlechten Nachrichten, ich bin sogar hocherfreut darüber.“ Er gab
ihr einen flüchtigen Kuss. „Aber das ist reine Männersache.“
Nell
stampfte mit dem Fuß auf. „Nein, so etwas hasse ich! Ich will es wissen.“
Er sagte ihr nicht die Wahrheit, das spürte sie. Die jahrelange Erfahrung mit
ihrem Vater hatte sie misstrauisch gemacht.
Er warf ihr
einen strengen Blick zu. „Streite nicht mit mir darüber, Nell. Es ist Männersache.
So, und nun mach dich frisch, dann gehen wir nach unten.“
„Und das
ist meine liebe
Freundin Miss Tibthorpe“, sagte Prinzessin Caroline. „Tibby, das ist
Harrys zukünftige Frau, Lady Helen Freymore.“
Tibby, eine
kleine, dünne Frau von etwa Mitte dreißig, rührte sich nicht. Sie hielt die
Hand an die Brust gepresst und starrte aus dem Fenster.
„Tibby?“,
wiederholte die Prinzessin.
Tibby
zuckte zusammen und drehte sich um. „Ach, bitte verzeihen Sie mir“, bat
sie hastig. „Ich war in Gedanken gerade ganz woanders. Wie geht es Ihnen, Lady
Helen?“
„Stimmt etwas
nicht, Tibby?“, fragte die Prinzessin. „Doch hoffentlich keine schlechten
Nachrichten?“
Tibby sah
sie blicklos an. „Nein.“ Sie errötete. „Ich meine, ich weiß es nicht, ich
habe den Brief noch nicht gelesen. Ich bitte um Verzeihung, aber ich muss
...“ Sie eilte aus dem Zimmer.
„Haben Sie
Nachsicht mit ihr“, bat die Prinzessin. „So ist sie öfter, wenn sie einen
Brief von einer ganz bestimmten Person bekommt. Danach ist sie meist ein wenig
aufgewühlt.“
Nell
verstand das. Was hatte Ethan Harry bloß geschrieben, dass dieser hinterher ein
so grimmiges Gesicht gemacht hatte? Das war sehr beunruhigend. Hätte sie es
nicht besser gewusst, hätte sie fast denken können ...
Die
Prinzessin griff nach der Teekanne. „Aber was fällt mir ein – da plappere ich
munter über Tibby, obwohl Sie sie gerade erst kennengelernt haben. Lassen Sie
uns Tee trinken. Lady Gosforth hat sich in ihr Zimmer zurückgezogen, um bis zum
Abendessen zu ruhen, und die Männer sind mit den Jungen in diese grässlichen
Stallungen gegangen, um sich irgendein schreckliches Pferd anzusehen, also
brauchen wir nicht auf sie zu warten. Mögen Sie auch keine Pferde?“
„Im
Gegenteil“, sagte Nell. „Ich liebe sie und habe vor, sie zu züchten.“
Die
Prinzessin lachte. „Dann heiraten Sie in die genau richtige Familie ein. Jedes
einzelne Mitglied ist pferdeverrückt, außer mir. Nehmen Sie Milch oder Zitrone?
Milch also? Gut.“ Sie reichte Nell ihre Tasse. „Und jetzt müssen Sie mir
erzählen, wie Sie und Harry sich kennengelernt haben.“
Nell
lächelte und trank einen Schluck Tee. „Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen
soll, Prinzessin Caroline ...“
Die
Prinzessin hob die Hand. „Bitte, wir müssen uns duzen. Nenn mich Callie, wie
die anderen auch. Wir sind schließlich bald Schwestern. Ich hatte nie eine und
habe mich immer nach einer Schwester gesehnt.“
„Mir ging
es genauso“, beteuerte Nell.
Callie
wollte gerade trinken, hielt aber plötzlich die Luft an, und ein abwesender
Ausdruck trat in ihre Augen. Nach einem kurzen Moment errötete sie und warf
Nell einen scheuen Blick zu. „Mein Baby hat sich bewegt. Ich weiß, es schickt
sich nicht, darüber zu reden, schon gar nicht vor einer unverheirateten Frau,
aber dieses Baby bedeutet mir so unsagbar viel.“
Nell
schüttelte den Kopf, in ihren Augen brannten Tränen. „Ich finde das überhaupt
nicht unschicklich und auf mich brauchst du keine
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