Anne Gracie
Freymore.“
Ihm traten
fast die Augen aus dem Kopf. „Freymore?“, rief er aus. „Sie meinen doch
nicht etwa ... nicht der verstorbene ...“
„Ja, ich
bin seine Tochter.“
Pedlington
wirkte unangenehm berührt. „Ich vertrete die Kanzlei Fraser & Shaw.“
Er hielt inne, als müssten ihr diese Namen etwas sagen.
Doch das
war nicht der Fall und sie wartete auf seine weitere Erklärung.
Er
räusperte sich. „Hat man Ihnen denn nichts gesagt?“
„Was soll
man mir gesagt haben?“
„Ach, du
liebe Güte.“ Er fuhr sich mit dem Finger in den Kragen. Seine Art machte
sie allmählich nervös. „Was gibt es denn, das ich wissen sollte?“
„Hm, das
Haus. Der Besitz.“
„Ja?“
„Dieses
Haus ...“ Er wies auf das Gebäude.
„Ich weiß,
was das für ein Haus ist. Es ist schließlich mein Zuhause.“
Er schluckte.
„Nein, das ist es nicht. Nicht mehr. Meine Kanzlei ist beauftragt worden, es zu
verkaufen.“
„Verkaufen?
Das können Sie nicht, es gehört mir.“ Er schien sie nicht verstanden zu
haben, daher fügte sie hinzu: „Es ist mein Eigentum.“
„Nein. Ich
fürchte ... Ihr Vater ...“ Pedlington zögerte. „Er hat es beim Kartenspiel
verloren.“
„Das kann
nicht sein“, widersprach Nell. Sie merkte, dass der Anwalt weiterreden
wollte, und fügte hastig hinzu: „Ich meine, ich weiß, dass er Dinge verspielt,
das hat er immer schon getan. Er hat fast alles verspielt, was er je besessen
hat. Aber dieses Haus kann er nicht verspielt haben, weil es ihm nicht gehört.
Er hat es schon vor Jahren auf meinen Namen überschrieben ...“ Sie verstummte,
denn Pedlington schüttelte den Kopf.
„Es ist
alles vollkommen legal“, erklärte er. „Ich habe die Dokumente selbst
gesehen. Gebäude und Ländereien sind ausschließlich Eigentum unseres
Mandanten.“
Nell
starrte ihn eine ganze Weile an, dann gaben ihre Knie nach. Sie ließ sich auf
die oberste Treppenstufe fallen; die Gedanken überschlugen sich in ihrem Kopf.
„Sie meinen, das Haus ist jetzt auch weg?“ Papa hatte zu allem anderen
auch noch ihr Zuhause verloren? Er hatte ihr doch geschworen, die
Übertragungsurkunde wäre auf ihren Namen ausgestellt worden.
Lügen,
immer wieder Lügen.
„Wo soll
ich denn jetzt hingehen?“
„Ich weiß
es nicht, es tut mir leid.“ Er räusperte sich, und in seiner Stimme
schwang neben Diensteifer auch Mitgefühl mit: „Hier können Sie jedenfalls nicht
bleiben. Sie müssen gehen.“
2. Kapitel
Firmin Court, Wiltshire
Zehn Tage später
Ich muss gestehen, das Haus ist ein wenig
heruntergekommen“, sagte Pedlington entschuldigend. „Aber mit ein paar
Renovierungsarbeiten ...“
„Es ist
sogar außerordentlich heruntergekommen. Tatsächlich wirkt der ganze Besitz
sträflich vernachlässigt“, erwiderte Harry und blickte vielsagend auf die
alten verschlissenen Samtvorhänge.
Pedlington
verzog das Gesicht. „Ich fürchte, der verstorbene Earl hat es mit der Erfüllung
seiner Pflichten nicht so ganz genau genommen ...“
Harry
schnaubte. Welche Pflichten? Seinen Informationen nach hatte der verstorbene
Earl so ziemlich alles vernachlässigt, abgesehen von den Spieltischen. Doch
diese Nachlässigkeit würde sich für Harry auszahlen.
Pedlington
fuhr fort. „Dieses Gebäude ist nicht Teil des Gesamtbesitzes. Es gehörte
seiner verstorbenen Frau, also zählt es nicht zum unveräußerlichen, an den
Titel gebundenen Erbe.“
Sie gingen
von einem verstaubten Zimmer ins nächste und durch Flure mit verblichenen Tapeten,
an denen dunklere Stellen verrieten, wo einst Bilder gehangen oder Möbel
gestanden hatten. Wenn dieses Haus nicht zum unveräußerlichen Erbe gehört,
fragte Harry sich, warum hat der Earl es dann nicht verkauft? Der Mann
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