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Anne in Avonlea

Anne in Avonlea

Titel: Anne in Avonlea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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wie immer tipptopp sauber. Aber Anne hielt ein Körnchen Staub in einem Haus, das mit einem Besuch von Charlotte E. Morgan beehrt wurde, für eine Schande. Sie räumte sogar den Schrank »für alles Mögliche« unter der Treppe auf, obwohl nicht die geringste Möglichkeit bestand, dass Mrs Morgan ihn zu Gesicht bekam.
    »Aber ich will das Gefühl haben, dass er bestens aufgeräumt ist, auch wenn sie ihn nicht zu sehen bekommt«, sagte Anne zu Marilla. »Weißt du, in ihrem Buch >Goldene Schlüssel< lässt sie ihre beiden Heldinnen nach dem Motto von Longfellows Vers handeln:
     
    >Wenn ehedem ein Kunstwerk entstand, 
    der Baumeister vorging mit sorgsamer Hand, 
    in jedem Augenblick und in jedem Zimmer,
    Denn die Gottheiten, sie sehen es immer.<
     
    Also haben sie die Kellerstufen stets geschrubbt und sie fegten auch immer unter den Betten. Ich hätte ein schlechtes Gewissen, wenn ich wüsste, das der Schrank nicht aufgeräumt ist, wenn Mrs Morgan im Haus ist. Seit Diana und ich letzten April >Goldene Schlüssel< gelesen haben, haben wir den Vers auch zu unserem Motto gemacht.«
    Am Nachmittag schlachteten John Henry Carter und Davy die beiden weißen Hühner. Anne rupfte sie - wie immer eine unangenehme Arbeit, die sich in ihren Augen angesichts der Bestimmung der fetten Vögel jedoch verklärte.
    »Ich hasse es, Hühner zu rupfen«, sagte sie zu Marilla, »aber ist es nicht ein Glück, dass man nicht mit dem Herzen bei dem sein muss, was die Hände tun? Mit den Händen habe ich Hühner gerupft, aber in Gedanken bin ich durch die Milchstraße gewandert.«
    »Du hast mehr Federn als normal auf dem Fußboden verstreut«, bemerkte Marilla.
    Dann brachte Anne Davy ins Bett und nahm ihm das Versprechen ab, dass er sich am nächsten Tag tadellos benehmen würde.
    »Wenn ich mich morgen den ganzen Tag lang so gut es nur geht benehme, darf ich mich dann übermorgen den ganzen Tag lang so schlecht es nur geht benehmen?«, fragte Davy.
    »Das kann ich nicht zulassen«, sagte Anne vorsichtig. »Aber wenn du dich gut benimmst, nehme ich dich und Dora mit auf eine Bootsfahrt, und bei den Sanddünen gehen wir an Land und picknicken.«
    »Abgemacht«, sagte Davy. »Ich werde brav sein, und ob! Eigentlich wollte ich zu Mr Harrison gehen und mit meinem neuen Schießgewehr mit Erbsen auf Ginger schießen, aber das geht auch an einem anderen Tag. Ich schätze, es wird wie sonntags, aber ein Picknick am Ufer macht das wieder wett.«

17 - Ein Unglück kommt selten allein
    Anne wachte dreimal in der Nacht auf und ging jedes Mal ans Fenster, um sich zu vergewissern, dass Onkel Abes Vorhersage nicht eintraf. Endlich dämmerte klar und strahlend der Morgen. Der Himmel schimmerte silbrig glänzend, der herrliche Tag war angebrochen. Diana erschien kurz nach dem Frühstück mit einem Korb voll Blumen über dem einen Arm und ihrem Musselinkleid über dem anderen -sie würde es erst anziehen können, wenn alle Vorbereitungen für das Mittagessen erledigt waren. Solange trug sie ihr rosafarbenes Baumwollkleid und eine Batistschürze mit wundervollen Rüschen und Krausen; adrett, hübsch und rosig sah sie aus.
    »Du siehst einfach süß aus«, sagte Anne bewundernd.
    Diana seufzte.
    »Aber ich musste schon wieder sämtliche Kleider weiter machen. Seit Juli habe ich vier Pfund zugenommen. Wo soll das noch enden, Anne? Mrs Morgans Heldinnen sind allesamt groß und schlank.«
    »Vergessen wir die Sorgen und denken wir lieber an unser Glück«, sagte Anne fröhlich. »Mrs Allan sagte, immer wenn einen etwas quält, soll man auch an etwas Nettes denken, was man dem entgegensetzen kann. Du bist vielleicht ein wenig zu dick, aber dafür hast du niedliche Grübchen. Ich habe zwar Sommersprossen auf der Nase, aber dafür habe ich eine sehr schöne Nase. Meinst du, der Zitronensaft hat etwas geholfen?«
    »Ja, ich denke schon«, sagte Diana abwägend. Aufgemuntert ging Anne voran in den Garten, der voll luftiger Schatten und flimmernden goldenen Lichts war.
    »Als Erstes schmücken wir das Wohnzimmer. Wir haben viel Zeit.
    Priscilla meinte, sie würde um zwölf, spätestens um halb eins hier sein, also essen wir um eins zu Mittag.«
    Mag sein, dass es in dem Augenblick irgendwo in Kanada oder den Staaten zwei glücklichere und aufgeregtere Mädchen gab, aber ich bezweifle es. Mit jedem Schnippeln der Schere, als Rosen, Pfingstrosen und Glockenblumen abgeschnitten wurden, schien es zu zwitschern: »Heute kommt Mrs Morgan.« Anne fragte sich, wie Mr

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