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Anne in Kingsport

Titel: Anne in Kingsport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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als sie aus der Damengarderobe kam. Aber als sie den Festsaal betraten, hatte sie plötzlich wieder Farbe bekommen und strahlte. Sie wandte sich mit der fröhlichsten Miene der Welt Roy zu. Dabei nahm sie ihn gar nicht wahr. Ihr wurde siedend heiß, weil sie Gilbert an der anderen Seite des Saals unter den Palmen stehen sah, wie er sich mit einem Mädchen unterhielt. Das musste Christine Stuart sein.
    Sie war ausgesprochen hübsch, nur ein bisschen pummelig. Sie war groß und hatte große blaue Augen und glänzende, glatte schwarze Haare.
    »So würde ich gern aussehen«, dachte Anne jämmerlich. »Aber eine so gute Figur wie ich hat sie nicht und ihre Nase ist auch längst nicht so schön wie meine.«
    Das tröstete Anne ein wenig.

27 - Phil und Anne ziehen einander ins Vertrauen
    Es wurde März und die April-Prüfungen standen ins Haus. Die Mädchen lernten eifrig. Sogar Phil machte sich so verbissen über Bücher und Hefte her, wie man es ihr gar nicht zugetraut hätte.
    »Ich will das Stipendium in Mathematik bekommen«, verkündete sie ruhig, »ln Griechisch könnte ich es spielend schaffen, aber ich will lieber das in Mathematik. Denn ich will Jonas beweisen, dass ich nicht dämlich bin.«
    »Jonas mag dich auch so«, sagte Anne.
    »Als ich jung war, brauchten Frauen nichts von Mathematik zu verstehen«, sagte Tante Jamesina. »Aber die Zeiten haben sich eben geändert.«
    Mitte März kam ein Brief von Miss Patty Spofford, in dem stand, dass Miss Maria und sie noch ein weiteres Jahr in Übersee bleiben würden.
    »Ihr könntet also auch im nächsten Winter noch in Pattys Haus wohnen bleiben«, schrieb sie. »Maria und ich wollen kurz entschlossen noch mal eben nach Ägypten reisen. Bevor ich sterbe, will ich wenigstens die Sphinx gesehen haben.«
    »Stellt euch die zwei Damen vor, wie sie >kurz entschlossen noch eben nach Ägypten reisen    »Das ist ja großartig, dass wir in Pattys Haus wohnen bleiben können«, sagte Stella. »Ich hatte schon befürchtet, sie würden zurückkommen und wir hätten unser schönes Zuhause aufgeben müssen.«
    »Ich gehe ein wenig im Park spazieren«, verkündete Phil unvermittelt und legte ihr Buch beiseite. »Komm doch mit, Anne.«
    Die beiden gingen einen langen, von Kiefern gesäumten Pfad entlang, der geradewegs in einen tiefroten Sonnenuntergang hineinzuführen schien.
    »Ich würde auf der Stelle kehrtmachen und diese Stimmung in einem Gedicht festhalten, wenn ich mich darauf verstünde«, erklärte Phil und blieb auf einer Lichtung stehen.
    »Anne, ich bin das glücklichste Mädchen der Welt«, gestand Phil plötzlich.
    »Dann hat er also doch um deine Hand angehalten?«, fragte Anne ruhig.
    »Ja. Aber ich hatte solche Angst, er könnte es sich anders überlegen und mitten im Satz aufhören. Ich bin im Glücksrausch. Vorher war ich mir nie ganz sicher, dass ich Jonas etwas bedeute, wo ich doch so oberflächlich bin.«
    »Das bist du nicht, Phil«, sagte Anne ernst. »Unter der oberflächlichen Schale steckt ein lieber Kern. Warum gibst du dich nicht nach außen hin so?«
    »Ich bin nun mal so. Du hast Recht - im Grunde bin ich nicht oberflächlich. Es hat nur den Anschein. Aber Jonas kennt ja mein wahres Ich und liebt mich, wie ich bin. Und ich liebe ihn. Mein Lebtag habe ich nicht so gestaunt wie in dem Moment, als ich das feststellte. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich in einen hässlichen Mann verlieben könnte. Noch dazu in einen mit dem Namen Jonas! Aber ich nenne ihn Jo.«
    »Was ist übrigens mit Alec und Alonzo?«
    »Oh, Weihnachten habe ich ihnen alles unterbreitet. Beide waren so traurig, dass ich geweint, ja geheult habe. Aber es gibt nur einen auf der Welt, den ich will. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich selbst eine Entscheidung getroffen und es war ein Kinderspiel. Es ist ein wunderbares Gefühl, noch dazu, wenn man sich seiner Sache ganz sicher ist.«
    »Meinst du, du kannst es durchhalten?«
    »Entscheidungen zu treffen, meinst du? Ich weiß es nicht. Aber Jo ist ja sehr entschlussfreudig. Und so viel Entschlossenheit ist auch wieder nicht gut.«
    »Was werden deine Eltern dazu sagen?«
    »Mein Vater sicher nichts weiter. Er ist mit allem, was ich tue, einverstanden. Mutter wird einiges dazu zu sagen haben. Aber alles in allem werden sie schon einverstanden sein.«
    »Du wirst aber auf einiges verzichten müssen, Phil.«
    »Aber ich habe doch ihn. Alles andere ist mir nicht wichtig. Nächstes Jahr im Juni soll die Hochzeit

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