Anne in Windy Willows
einfach so aus Laune?«
»Meinen Sie etwa Ihren Va ...«, stotterte Dr. Carter verwirrt. »Was würden Sie von einem Mann halten, der seiner Frau das beste Kleid abschneidet, weil es ihm nicht gefällt?«, fragte Trix und legte Messer und Gabel beiseite.
»Was würden Sie von einem Mann denken, der seiner Frau nicht erlaubt, einen Hund zu halten, obwohl sie so gerne einen hätte?«, sagte Pringle. »Und was würden Sie von einem Mann halten«, fuhr er fort, weil ihm die Sache allmählich Spaß machte, »der seiner Frau zu Weihnachten Galoschen schenkt, Galoschen und sonst nichts?«
»Galoschen wärmen nicht gerade das Herz«, gab Dr. Carter zu. Dabei lächelte er zu Anne herüber. Sie hatte ihn noch nie zuvor lächeln sehen. Er wirkte gleich um vieles freundlicher. »Können Sie sich vorstellen, Dr. Carter, wie schrecklich es sein muss, mit jemandem zusammenzuleben, der kurzerhand den Braten nach dem Dienstmädchen wirft, wenn er nicht gar ist.«
Dr. Carter warf einen vorsichtigen Blick in Cyrus Taylors Richtung, als ob er befürchtete, dass er jeden Moment die Hühnerknochen durch die Gegend schleuderte, bis ihm zu seiner Erleichterung wieder einfiel, dass sein Gastgeber ja taub war. »Was fällt Ihnen zu einem Mann ein, der seine Kuh auf dem Friedhof weiden lässt? Ganz Summerside hat den Anblick bis heute nicht verdaut.«
Anne fragte sich mittlerweile, wie das noch enden sollte. Trix und Pringle waren ganz schön ausgekocht. Sie hatten bisher noch kein einziges Mal behauptet, dass ihr Vater das alles wirklich getan hatte.
Jetzt fing Mrs Taylor an zu weinen. Esme hatte bisher zu allern geschwiegen. Aber nun war schon alles egal, sie wandte sich also an Dr. Carter, den sie Für immer verloren hatte, und fragte leise:
»Was würden Sie von einem Mann denken, der stundenlang nach kleinen Kätzchen sucht, deren Mutter man erschossen hat, und der den Gedanken nicht ertragen kann, dass sie ohne Hilfe verhungern würden?«
Es wurde totenstill im Raum. Trix und Pringle schämten sich plötzlich und Mrs Taylor erhob das Wort, um Esmes unerwarteten Eingriff zu unterstützen und Cyrus zu verteidigen. »Und er kann so wundervoll häkeln. Letzten Winter hat er so ein hübsches Zierdeckchen für den Salontisch gehäkelt, als er einen Hexenschuss hatte und nicht aufstehen konnte.« Geduld hat bekanntlich ihre Grenzen, und bei Cyrus Taylor war es jetzt so weit. Er stieß seinen Stuhl mit solcher Wucht nach hinten um, dass dieser über den glatten Boden hinwegschoss und an den Tisch knallte, auf dem die Vase stand. Die Vase fiel herab und zerbarst in tausend Stücke. Cyrus’ buschige weiße Augenbrauen richteten sich bedrohlich auf, er sprang auf, und endlich gab es den ersehnten Knall.
»Ich und häkeln, Frau!«, donnerte er. »Du willst doch nicht wegen so einem lächerlichen Deckchen meinen guten Ruf ruinieren! Dieser verdammte Hexenschuss hatte mich so fertig gemacht, dass ich nicht mehr wusste, was ich tat! Und ich bin also taub, Miss Shirley? Taub bin ich!«
»Das hat sie nicht gesagt, Papa«, rief Trix, deren Angst verflogen war, wenn ihr Vater einen lautstarken Wutausbruch bekam.
»0 nein, hat sie nicht gesagt! Niemand hier hat irgendetwas gesagt! Du hast nicht gesagt, ich wäre achtundsechzig statt zweiundsechzig, nein? Und du hast nicht zufällig gesagt, dass ich deiner Mutter keinen Hund erlaube? Herrgott, Frau, du kannst meinetwegen vierzigtausend Hunde haben! Habe ich dir jemals etwas abgeschlagen?«
»Nein, Papa, nie!«, schluchzte Mrs Taylor verzweifelt. »Ich hab in Wirklichkeit nie einen Hund gewollt. Ich hab noch nicht mal den Gedanken gehabt, einen Hund anzuschaffen!«
»Und wann, bitte, habe ich eine Kuh auf dem Friedhof weiden lassen? Wen habe ich doch gleich mit einem Braten beworfen? Und wann sollte ich euch von Obst und Eiern ernährt haben?«
»Nie, Papa, niemals!«, rief Mrs Taylor weinend. »Niemand ist ein so guter Ernährer wie du!«
»Und wie war das mit den Galoschen letztes Weihnachten, du hattest sie dir nicht etwa gewünscht?« Cyrus wanderte mit großen Schritten im Zimmer hin und her.
»Doch, doch, natürlich, Papa. Und ich hab den ganzen Winter so mollig warme Füße drin gehabt.« Mrs Taylor war völlig am Ende.
»Nun denn!« Cyrus warf einen triumphierenden Blick durch den Raum. Plötzlich geschah das Unglaubliche. Ein Zittern ging durch seinen Körper und Grübchen schlichen sich auf seine Wangen. Er holte seinen Stuhl an den Tisch und setzte sich. »Schmollen ist eine ganz
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