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Anne in Windy Willows

Titel: Anne in Windy Willows Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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aussieht als das Haus, dann verdient der Besitzer mehr, als er ausgibt, habe ich mal gehört«, erzählte Lewis, als sie um das Haus streiften.
    »Vielleicht ist es aber auch nur ein Zeichen dafür, dass er sich mehr um seine Pferde kümmert, als um seine Familie«, lachte Anne. »Also ich kann mir kaum vorstellen, dass wir hier jemand antreffen, der sich für unser Theater interessiert, aber für deinen Wettbewerb eignet sich dieses Haus noch am ehesten von allen.«
    »Der Weg hier sieht nicht gerade viel begangen aus«, stellte Lewis fest. »Die Leute, die hier wohnen, sind offenbar nicht sehr häufig unterwegs. Ich fürchte, die wissen noch nicht mal, was ein Theaterklub eigentlich ist. Auf jeden Fall werde ich erst mein Foto schießen, ehe wir sie aufscheuchen.« Er ging ein paar Schritte zurück und stellte die Belichtung ein. Das Haus wirkte verlassen. Als Lewis das Foto gemacht hatte, gingen sie beide über den Hof und klopften an der verblichenen Küchentür. Sie waren einigermaßen überrascht, als die Tür aufsprang und statt einer freundlichen Bäuerin ein großer, breitschultriger älterer Mann auf der Schwelle stand und unsanft fragte: »Was wollen Sie?«
    »Wir dachten, wir könnten Sie für unseren Theaterklub an der High-School interessieren«, begann Anne stockend; sie brauchte sich jedoch keine weitere Mühe zu geben.
    »Nie gehört. Kenne ich nicht. Interessiert mich nicht«, brummte der Mann und schlug ihnen die Tür vor der Nase zu. »Der hat uns ganz schön abfahren lassen«, sagte Anne im Weggehen und warf noch einen Blick zurück.
    »Wirklich ein ungeheuer liebenswerter Typ«, grinste Lewis. »Mir tut bloß seine Frau Leid, falls er überhaupt eine hat.«
    »Das glaube ich nicht, die hätte ihm bestimmt Manieren beigebracht«, erwiderte Anne und versuchte ihr Gleichgewicht wieder zu finden. »Rebecca Dew wüsste, wie man mit dem umgeht. Na, wenigstens haben wir das Foto und ich habe das dumpfe Gefühl, dass es den Preis gewinnt... Warte mal! Ich habe einen Stein im Schuh!«
    Anne setzte sich, um den Stein zu entfernen. Plötzlich hörte sie hinter sich im Gebüsch ein Geräusch. Ein kleiner, etwa achtjahre alter Junge tauchte neben ihnen auf und blickte sie prüfend an, während er mit der einen Hand eine große Apfeltasche umklammert hielt. Er war ein hübscher Kerl, mit braunen Locken, großen, treuherzigen Augen und feinen Gesichtszügen. Er hatte irgendwie etwas Vornehmes an sich, obwohl er barfuß war und ein verblichenes Hemd und eine abgetragene Hose trug. Irgendwie sah er aus wie ein verkleideter Prinz.
    Hinter ihm stand ein großer schwarzer Hund, der fast bis zur Schulter des kleinen Jungen reichte.
    Anne schaute ihn freundlich an.
    »Hallo, Kleiner!«, sagte Lewis. »Wo kommst du denn her?« Der Junge kam lächelnd auf die beiden zu und streckte ihnen seine Apfeltasche entgegen. »Das ist für Sie«, erklärte er schüchtern. »Papa hat es für mich gebacken, aber ich schenke es Ihnen, ich hab genug zu essen.«
    Lewis wollte schon Nein sagen, als Anne ihn noch rechtzeitig stupste. Er verstand den Hinweis, nahm die Apfeltasche entgegen und überreichte sie Anne, die sie dann in zwei Hälften teilte und ihm die eine davon gab. Sie würden sie wohl essen müssen, auch wenn sie gewisse Zweifel an »Papas« Backkünsten hatten. Umso überraschter waren sie nach dem ersten Biss; mit der Höflichkeit hapert es zwar bei »Papa«, aber Apfeltaschen backen kann er.
    »Die schmeckt aber gut!«, lobte Anne. »Wie heißt du denn?«
    »Teddy Armstrong«, antwortete der Kleine. »Aber Papa nennt mich immer >Kerlchen<. Er hat nur mich, wissen Sie. Er hat mich schrecklich gern und ich habe Papa schrecklich gern. Ich glaube, Sie halten ihn für unhöflich, weil er die Tür so schnell wieder zugemacht hat. Aber er wollte nicht unhöflich sein. Ich habe gehört, dass Sie ihn um etwas zu essen gebeten haben.«
    »Stimmt zwar nicht, aber das macht nichts«, dachte Anne. »Ich war im Garten hinter den Rosensträuchern und dachte gleich, ich gebe Ihnen meine Apfeltasche. Leute, die nicht genug zu essen haben, tun mir immer so Leid. Ich hab immer genug zu essen. Papa ist nämlich ein toller Koch. Was der für leckeren Reispudding machen kann!« Er strich sich über den kleinen Bauch.
    »Mit Rosinen?«, fragte Lewis mit einem Augenzwinkern.
    »Ja, haufenweise. Mein Papa ist wirklich kein bisschen böse.«
    »Hast du denn keine Mutter, kleiner Mann?«, fragte Anne und aß den letzten Bissen

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