Anne in Windy Willows
Rebecca Dew grimmig, während sie einen Teller Makronen hereinbrachte. Doch Ernestine war nicht zu bremsen. »Wisst ihr zufällig, ob Calceolaria eine Blume ist oder eine Krankheit?«, fragte sie, ohne sich um Rebecca Dews Bemerkung zu kümmern.
»Eine Blume«, erwiderte Tante Chatty verwundert.
Kusine Ernestine machte ein enttäuschtes Gesicht: »Naja, wie dem auch sei, ich habe jedenfalls letzten Sonntag in der Kirche gehört, wie Sandy Bugles Witwe ihrer Schwester zuflüsterte, sie hätte eine Calceolaria. Deine Geranien sehen übrigens furchtbar verkümmert aus, Charlotte. Ich fürchte, du düngst sie nicht ordentlich. Sie geht jetzt schon nicht mehr in Trauer, dabei ist der arme Sandy erst vier Jahre tot. Jaja, so schnell vergisst man die Toten heutzutage.« Sie schnappte sich eine Makrone und biss krachend hinein.
»Ihr Rock ist auf«, machte sie Rebecca aufmerksam, als sie nun Kokosnusstörtchen auf Tante Kates Platz stellte.
»Ich hab eben nicht die Zeit, ständig vor dem Spiegel zu stehen«, gab Kusine Ernestine bissig zurück. »Mein Rock ist auf, na und? Ich hab immerhin drei Petticoats darunter an, die Mädels heutzutage tragen ja bloß noch einen. Ich fürchte, die Welt wird immer lasterhafter. Aber wehe, wenn das Jüngste Gericht kommt!« Sie schaute bedeutsam in die Runde.
»Beim Jüngsten Gericht werden sie uns wohl kaum fragen, wie viele Petticoats wir anhaben!«, sagte Rebecca Dew und entschwand in die Küche. Hier fand sogar Tante Chatty, dass Rebecca etwas zu weit ging.
»Wie geht esjane Goldwin?«, erkundigte sich Tante Kate, die nun von den Petticoats ablenken wollte. »Sie war schon lange nicht mehr in der Stadt.«
»Ach ja, die arme Jane! Sie schmachtet auf unerklärliche Weise vor sich hin, keiner weiß so recht, was mit ihr los ist. Aber ich fürchte, das Ganze entpuppt sich bloß als faule Ausrede ... Was lacht denn Rebecca Dew bloß da draußen wie eine Hyäne? Also, unter den Dews gibt's schon eine ganze Menge Schwachköpfe.«
»Ich habe gehört, Thyra Cooper hat ein Baby«, sagte Tante Chatty, schon völlig verzweifelt. Es schien kein unverfängliches Gesprächsthema zu geben.
»Ja, zum Glück nur eins. Ich hatte schon befurchtet, es würden Zwillinge. Bei den Coopers gibt’s ja am laufenden Band Zwillinge.«
»Aber Thyra und Ned sind doch so ein nettes Paar«, lenkte nun auch Tante Kate ein. Doch Kusine Ernestine war heute prächtig in Fahrt.
»Ach was«, widersprach sie, »sie war froh, dass sie ihn schließlich gekriegt hat. Sie hatte erst Angst, er käme aus dem Westen nicht mehr zurück. Ich warnte sie noch und sagte, >du kannst sichergehen, dass er dich enttäuscht. Das hat er immer schon gekonnt, die Leute enttäuschen. Als er noch ein Baby war, dachten alle, er stirbt, noch bevor er ein Jahr ist, aber du siehst ja: Er lebt immer noch.< Ach Übrigens joseph Holly hat es im Rücken. Er nennt es Hexenschuss, aber ich fürchte, es ist das Vorstadium von spinaler Meningitis.«
»Der alte Joseph Holly ist ein herzensguter Mensch«, sagte Rebecca Dew energisch, die eine zweite Kanne Tee brachte. »Jaja, er ist viel zu gut! Ich fürchte, seine Söhne entwickeln sich da ganz anders. Nein, danke, Kate, keinen Tee mehr . . . Vielleicht ein Makrönchen, die liegen nicht so schwer im Magen, ach, ich habe viel zu viel gegessen. Ich fürchte, ich muss mich jetzt auf die Socken machen, sonst ist es dunkel, ehe ich zu Hause bin. Hoffentlich bekomme ich keine nassen Füße; ich kriege sonst noch Ammonie. Den ganzen Winter zieht es mir schon vom Arm bis in die untersten Gliedmaßen. Nächtelang liege ich wach deswegen. Ihr habt ja keine Ahnung, was ich durchgemacht habe! Aber ich war jedenfalls fest entschlossen euch noch mal zu besuchen. Also biss ich die Zähne zusammen und stand auf. Wer weiß, ob ich den nächsten Frühling noch erlebe; aber ihr seht beide auch so schlecht aus, dass ihr womöglich noch vor mir das Zeitliche segnet. Es ist immer besser, vorzeitig zu gehen, damit noch jemand aus der Familie da ist, der einen unter die Erde bringt. Du lieber Himmel, was das auf einmal für ein Wind ist da draußen! Ich fürchte, der Sturm bläst das Dach von unserer Scheune! Ich fürchte, es gibt einen Klimawechsel, bei dem Wind dieses Frühjahr. . . Danke, Miss Shirley«, sagte sie, als Anne, die ihr Lachen mühsam verbeißen musste, ihr in den Mantel half. »Passen Sie ja auf sich auf, Sie sehen furchtbar zermürbt aus. Ich fürchte, Menschen mit roten Haaren haben noch nie eine
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