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Anne Rice - Pandora

Anne Rice - Pandora

Titel: Anne Rice - Pandora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pandora
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nicht laut. Ich seufzte nur.
    Wenn diese beiden jüdischen Kaufleute mich ansahen, sahen sie schließlich den Körper und das Gesicht einer Frau; natürlich würden meine Beschützer auch glauben, mein Geist wäre weiblich. Die Diskrepanz zwischen meiner körperlichen Erscheinung und meiner inneren Einstellung hatte mich schon mein ganzes Leben lang beunruhigt. Warum sollte ich nun David und Jakob damit beunruhigen? Auf nach Antiochia.
    Aber ich hatte nicht die Absicht, in einer altmodischen griechischen Familie zu leben, wenn es denn solche noch in dem griechischen Teil Antiochias geben sollte, also in einer Familie, in der die Frauen von den Männern streng getrennt lebten, den ganzen Tag webten, nie ausgingen und keinerlei Anteil an der Welt nahmen.
    Meine Kinderfrauen hatten mir alle Fertigkeiten beige-bracht, die sich für eine Frau schickten, und so beherrschte ich alles, was mit Garn oder Wolle oder Webstuhl zu tun hatte, wie jede andere Frau, aber ich wusste recht gut, was die »alten griechischen Sitten«
    gewesen waren, und ich erinnerte mich noch vage an die Mutter meines Vaters, die starb, als ich noch sehr jung war – eine tugendhafte römische Matrone, die immerzu Wolle spann. Das stand dann auch in ihrer Grabinschrift, und ein ebensolches Epitaph hatte auch meine Mutter bekommen: »Sie hütete das Haus. Sie spann Wolle.«
    Das war der Nachruf auf meine Mutter! Genau die gleichen langweiligen Worte!
    Nun, von mir würde das keiner sagen können.
    (Wie witzig, dass ich jetzt, Tausende von Jahren danach, darüber nachdenke, dass es für mich keine Grabinschrift gibt.)
    Was ich in meiner totalen Ablehnung übersah, war die Tatsache, dass die römische Welt riesig groß war und dass sich ihr östlicher Teil drastisch von den nördlichen barbarischen Ländern unterschied, in denen meine Brü-
    der gekämpft hatten.
    Das gesamte Kleinasien, dem wir nun entgegensegel-ten, war vor Hunderten von Jahren von Alexander von Mazedonien erobert worden. Wie du weißt, war Alexander ein Schüler des Aristoteles. Er hatte die griechische Kultur überall verbreiten wollen. Und in Kleinasien trafen die griechischen Vorstellungen und Stile nicht nur auf Landstädtchen oder Bauern, sondern auf antike Hochkul-turen, wie das syrische Reich, die nicht nur gewillt waren, die neuen Ideen, die Anmut und Schönheit der griechischen Aufklärung zu empfangen, sondern gleichfalls bereit waren, das alles mit ihrer eigenen jahrhundertealten Literatur, Religion, Lebensweise und Mode in Einklang zu bringen.
    Antiochia hatte ein General Alexanders gegründet, der versuchte, die Schönheit der griechischen Städte hier noch zu übertreffen, und zwar mit herrlichen Tempeln, Verwaltungsgebäuden und Bibliotheken mit Büchern in griechischer Sprache und mit Schulen, in denen griechische Philosophie gelehrt wurde. Eine hellenistische Regierung wurde eingesetzt – recht aufgeklärt im Vergleich zu dem alten östlichen Despotismus; und dennoch waren unterschwellig das Wissen und die Sitten und vielleicht auch die Weisheit des geheimnisvollen Ostens gegenwärtig.
    Die Römer hatten Antiochia schon früh erobert, da es ein großes Handelszentrum darstellte. Und als solches war es einzigartig, wie Jakob mir zeigte, indem er mit einem angefeuchteten Finger eine grobe Karte auf den hölzernen Tisch malte. Antiochia war ein Hafen des gro-
    ßen Mittelmeers, denn es lag nur zwanzig Meilen oberhalb der Mündung des Orontes.
    Dabei grenzte sein östlicher Teil unmittelbar an die Wü-
    ste: Alle alten Karawanenstraßen führten nach Antiochia, hierher kamen Kaufleute mit ihren Kamelen, die fantastische Waren aus legendären Ländern mit sich führten –
    aus Ländern, bei denen es sich nach heutiger Kenntnis um Indien und China gehandelt haben musste. Sie brachten Seide, Teppiche und Juwelen, die nie die Märk-te von Rom erreichten.
    Zahllose andere Händler kamen nach Antiochia und verschwanden wieder. Gepflegte Straßen verbanden die Stadt im Osten mit dem Euphrat und dem Reich der Parther, und im Süden ging es nach Damaskus und Ju-däa, und im Norden lagen natürlich all die von Alexander gegründeten Städte, die unter der römischen Herrschaft zu voller Blüte gekommen waren.
    Den römischen Soldaten gefiel es hier, denn das Leben war angenehm und bot viele Anregungen. Und Antiochia seinerseits mochte die Römer, denn die schützten seine Handelsrouten und die Karawanen und sorgten für Frieden im Hafen.
    »Ihr findet dort weite Plätze, Arkaden,

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