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Anne Rice - Pandora

Anne Rice - Pandora

Titel: Anne Rice - Pandora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pandora
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Tempel, alles, wonach Euch der Sinn steht, und dazu Märkte, wie Ihr sie Euch nicht vorstellen könnt. Römer sieht man überall.
    Ich bete zu dem Allerhöchsten, dass Euch niemand aus Euren eigenen Kreisen erkennt! Für diese Gefahr vorzu-sorgen, blieb Eurem Vater keine Zeit mehr.«
    Ich tat das mit einer Handbewegung ab.
    »Gibt es auch Lehrer dort und Buchmärkte?«
    »Von überall her. Man findet sogar Bücher, die niemand entziffern kann. Und Griechisch wird von allen Leuten gesprochen. Ihr müsst schon aufs Land gehen, um auf irgendeinen armen Bauern zu treffen, der kein Griechisch versteht. Latein ist jetzt Umgangssprache geworden.
    Die Philosophen reden ununterbrochen; sie sprechen über Plato und Pythagoras, Namen, die mir nicht viel sagen; sie sprechen über chaldäische Zauberei aus Babylon. Natürlich gibt es für jeden erdenklichen Gott einen Tempel.«
    Er sprach nachdenklich weiter:
    »Die Hebräer? Ich persönlich glaube, sie sind zu weltlich – sie wollen kurze Tuniken tragen und ihre Muße-stunden mit den Griechen verbringen und die öffentlichen Bäder besuchen. Sie interessieren sich viel zu stark für die griechische Philosophie. Dieses ganze Denken, das die Griechen pflegen, durchdringt jeden Bereich. Das ist nicht gut. Aber eine griechische Stadt stellt eine verlok-kende Welt dar.«
    Er hob den Blick. Sein Vater beobachtete uns, und wir saßen an diesem Tisch auf Deck zu dicht beisammen.
    Er informierte mich hastig über andere Dinge: Germanicus Julius Caesar, Erbe des kaiserlichen Thrones, von Tiberius offiziell als Sohn angenommen, war in Antiochia das Imperium Maius zuerkannt worden. Das bedeutete, er kontrollierte dieses ganze Gebiet. Und Gnaeus Calpurnius Piso war Gouverneur von Syrien.
    Ich versicherte ihm, dass die beiden weder mich selbst kannten noch meine altmodische Familie, noch unser stilles, altes Haus auf dem Palatin, das sich zwischen so viele andere luxuriöse neue Villen quetschte.
    »Aber es ist alles so wie in Rom!«, widersprach Jakob.
    »Ihr werdet sehen. Und Ihr bringt Geld mit! Und, vergebt mir die Worte, aber Ihr seid trotz Eures Alters immer noch schön; Eure Haut ist frisch, und Ihr bewegt Euch wie ein junges Mädchen.«
    Ich seufzte und dankte Jakob. Es wurde Zeit, dass er sich von mir entfernte, sonst würde sein Vater uns die Leviten lesen.
    Ich schaute auf das stetige Wogen des blauen Meeres.
    Im Geheimen war ich dankbar, dass sich meine Familie von den Festen und Banketten im kaiserlichen Palast fern gehalten hatte, doch dann verursachte mir diese Dankbarkeit Schuldgefühle, denn mir war bewusst, dass gerade diese Zurückgezogenheit unserem Untergang den Weg bereitet haben musste.
    Ich hatte Germanicus auf seinem Triumphzug durch Rom gesehen, einen großartigen jungen Mann, in vielem Alexander ähnlich, und ich wusste von meinem Vater und meinen Brüdern, dass Tiberius, dem die Beliebtheit seines offiziell eingesetzten Erben ein Dorn im Auge war, ihn schließlich in den Nahen Osten geschickt hatte, um ihn von den römischen Massen wegzubringen.
    Und der Gouverneur Piso? Ich hatte ihn nie zu Gesicht bekommen. Es ging das Gerücht, er wäre in den Osten abkommandiert worden, um Germanicus zu schikanie-ren. Ach, was für eine Verschwendung von Geist und Talent.
    Jakob kam zu mir zurück.
    »Also, Ihr geht ungenannt und unerkannt in diese große Stadt«, sagte er. »Und Ihr habt dort Beschützer mit Charakter, die auch von Germanicus sehr geschätzt werden.
    Er ist jung, und durch ihn erhält die Stadt Dynamik und Lebensfreude.«
    »Und Piso?«, fragte ich.
    »Er ist bei allen verhasst. Besonders bei den Soldaten, und Ihr wisst, was das in einer römischen Provinz bedeutet.«
    Man kann von der Reling eines Schiffes unendlich lange auf die Schaumkronen der wogenden See schauen.
    In jener Nacht hatte ich meinen zweiten Bluttraum. Er glich fast aufs Haar dem ersten. Mich dürstete nach Blut.
    Und Feinde waren hinter mir her, Feinde, die wussten, dass ich ein Dämon war und vernichtet werden musste.
    Ich rannte. Meine eigene Gattung hatte mich im Stich gelassen, mich schutzlos dem Aberglauben der Leute ausgeliefert. Dann sah ich die Wüste und wusste, dass ich sterben würde. Ich wachte auf, senkrecht im Bett sitzend, einen Schrei auf den Lippen, doch ich presste schnell die Hände auf den Mund, damit niemand etwas hörte.
    Was mich so schrecklich verstörte, war dieses Dürsten nach Blut. Wenn ich wach war, konnte ich mir so etwas nicht einmal vorstellen, doch in den

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