Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anne Rice - Pandora

Anne Rice - Pandora

Titel: Anne Rice - Pandora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pandora
Vom Netzwerk:
Ihr das? Ihr kennt sie doch nicht einmal.«
    Da kam eine stimmlose Botschaft von dem großen Mann in der Toga: Dein Bruder Lucius hat die ganze Familie verraten. Er tat es, weil er auf deinen Bruder Antonius eifersüchtig war. Für ein Drittel eures Familienvermögens hat er euch alle an die delatores verkauft, und ehe das große Morden begann, hat er sich davongemacht. Er arbeitete mit Sejanus von den Prätorianern zusammen. Er will dich töten.
    Das versetzte mir einen Schock, aber nicht in dem Ausmaß, dass ich mich von dieser Person überwältigen ließ.
    Du sprichst wie diese Frau, sagte ich im Stillen für mich. Du sprichst meine Gedanken an. Du sprichst wie die Frau, die in meinem Geist sagte: »Ich bin es, die dich ruft.«
    Ich spürte förmlich, wie sehr ihn das erschreckte. Doch auch ich schwankte, als hätte mich ein vernichtender Schlag getroffen. Dieses Geschöpf wusste also über meine Brüder Bescheid, und Lucius hatte uns wirklich verraten. Und der da wusste es!
    »Was bist du?«, schleuderte ich dem inneren Sprecher, dem Hochgewachsenen, entgegen. »Bist du ein Zauberer?«
    Keine Antwort.
    Unterdessen verfolgten der Priester und die Priesterin, die diese stumme Unterhaltung nicht hören konnten, ihren eingeschlagenen Kurs.
    »Dieser Bluttrinker, edle Pandora, er legt im Morgengrauen seine menschlichen Opfer auf unseren Tempelstufen ab. Auf ihre Körper schreibt er mit ihrem Blut einen alten ägyptischen Namen. Wenn die Behörden das entdecken, dann könnten sie unseren Tempel dafür verantwortlich machen. Das ist jedoch nicht unser Kult.
    Würdet Ihr uns – unserem Freund hier – noch einmal von Euren Träumen erzählen? Wir müssen den Isis-Kult schützen.
    Wir haben nicht an diese alten Sagen geglaubt … bis diese Kreatur auftauchte und mit ihren Morden begann; dann taucht eine schöne römische Frau von jenseits des Meeres auf und erzählt von ähnlichen Wesen, die in ihren Träumen umgehen.«
    »Welchen Namen schreibt er auf seine Opfer, dieser Bluttrinker? Etwa Isis?«, fragte ich.
    »Er hat keine Bedeutung. Er ist tabu, es ist ein alter ägyptischer Name. Einer der Namen, mit dem Isis einst genannt wurde, aber nicht mehr von uns.«
    »Wie heißt er?«
    Keiner antwortete, auch der stumme Sprecher nicht.
    In der Stille schweiften meine Gedanken zu Lucius, und beinahe hätte ich geweint. Dann überfiel mich Hass, tiefer Hass, wie zuvor auf dem Forum, als ich mit ihm gesprochen und seine ängstliche Wut erlebt hatte. Die ganze Familie verraten! Schwach zu sein ist gefährlich.
    Antonius und mein Vater waren beide so starke Persön-lichkeiten gewesen.
    »Edle Pandora«, sagte der Priester nun, »sagt uns doch, was Ihr vielleicht über dieses Wesen in Antiochia wisst. Habt Ihr auch von ihm geträumt?«
    Ich dachte an die Träume und versuchte ernsthaft, auf das einzugehen, was diese Leute mir mitteilten.
    Der große, entfernt stehende Römer ergriff das Wort:
    »Die edle Pandora weiß nichts über diesen Bluttrinker.
    Sie sagt euch die Wahrheit. Sie kennt nur ihre Träume, und darin wurden keine Namen genannt. In ihren Träumen sieht sie ein Ägypten aus früheren Zeiten.«
    »Nun, ich danke Euch, gnädiger Herr!«, fauchte ich.
    »Und wie seid Ihr zu diesem Schluss gekommen?«
    »Indem ich Eure Gedanken gelesen habe«, antwortete der Römer ganz ungerührt. »Genauso wie ich es mit denen gemacht habe, die Euch hier in Gefahr bringen könnten. Ich werde Euch vor Eurem Bruder schützen.«
    »Tatsächlich. Das solltet Ihr besser mir überlassen. Ich werde schon selbst mit ihm abrechnen. Nun wollen wir das Problem meines persönlichen Ungemachs beiseite lassen. Und Ihr, der Ihr so überaus klug seid, erklärt mir doch, warum ich diese Träume habe! Bei Eurem Gedan-kenlesen sollte ein brauchbares Zaubermittel herauskommen. Wisst Ihr, ein Mann mit Euren Gaben müsste sich dem Gerichtshof zur Verfügung stellen und für die Richter entscheiden, wenn Ihr tatsächlich Gedanken lesen könnt. Warum geht Ihr nicht nach Rom und werdet Berater von Kaiser Tiberius?«
    Ich konnte fühlen, deutlich fühlen, dass im Inneren des geheimnisvollen Römers ein kleiner Aufruhr entstand.
    Wieder hatte ich dieses Gefühl, dass mir irgendetwas an ihm bekannt vorkam. Natürlich waren mir Totenbeschwö-
    rer, Astrologen oder Orakel nicht fremd. Doch dieser Mann hatte ganz bestimmte Namen genannt – Antonius, Lucius. Er verblüffte mich.
    »Nun sagt mir doch, Geheimnisvoller«, bat ich, »wie nahe kommen meine Träume dem,

Weitere Kostenlose Bücher