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Anne Rice - Pandora

Anne Rice - Pandora

Titel: Anne Rice - Pandora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pandora
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was Ihr in den alten Schriften gelesen habt? Und dieser Bluttrinker, der Antiochia unsicher macht, ist er ein Sterblicher?«
    Schweigen.
    Ich strengte mich an, den Mann deutlicher zuerkennen, aber es gelang mir nicht. Er hatte sich sogar noch tiefer in die Dunkelheit zurückgezogen. Meine Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt. Ich wollte Lucius umbringen; genau genommen hatte ich keine andere Wahl.
    Der Römer sagte leise: »Sie weiß nichts über den Bluttrinker in Antiochia. Erzählt ihr, was ihr über ihn wisst –
    denn möglicherweise ist er es, dieser Bluttrinker, der ihr diese Träume schickt.«
    Ich war verwirrt. Die Stimme vorher war ganz eindeutig die einer Frau gewesen: Ich bin es, die dich ruft.
    Das irritierte den Römer; ich spürte es wie einen kleinen Wirbel in der Luft.

    »Wir haben ihn gesehen«, sagte der Priester. »Wir haben ihn nämlich beobachtet, weil wir diese unglücklichen, ausgetrockneten Leichen fortnehmen wollten, ehe sie jemand findet und uns dafür verantwortlich macht. Er ist verbrannt am ganzen Körper, ganz schwarz. Das kann kein Mensch sein. Er ist einer der alten Götter, so schwarz verkohlt, als befände er sich in einem flammen-den Inferno.«

»Amon Ra!«, rief ich. »Aber warum ist er nicht gestorben? In den Träumen sterbe ich.«
    »Ach, er ist schrecklich anzusehen«, sagte die Priesterin plötzlich, als könnte sie sich nicht länger zurückhalten.
    »Dieses Wesen kann kein Mensch sein. Seine Knochen stechen durch die verkohlte Haut. Aber es ist schwach, und seine Opfer sind es auch. Es torkelt nur, und doch ist es im Stande, den armen Geschöpfen, von denen es sich nährt, das Blut vollkommen auszusaugen. Am Morgen kriecht es dann fort, als hätte es nicht die Kraft zu laufen.«
    Der Priester wirkte ungeduldig.
    »Aber er ist lebendig«, sagte er. »Lebendig! Ob Gott oder Dämon oder Mensch, er ist lebendig. Und jedes Mal, wenn er von diesen Schwächlingen trinkt, bekommt er etwas mehr Kraft. Und er ist direkt den alten Sagen entsprungen, und von denen habt Ihr geträumt. Er trägt sein Haar lang, übrigens im alten ägyptischen Stil. Die Verbrennungen verursachen ihm Höllenqualen. Er schleudert Flüche gegen den Tempel.«
    »Was für Flüche?«
    Die Priesterin mischte sich plötzlich ein. »Er scheint zu glauben, dass Königin Isis ihn verraten hat. Er spricht ein altes Ägyptisch. Wir können ihn kaum verstehen. Unser römischer Freund hier, unser Wohltäter, hat uns die Worte übersetzt.«

    »Hört auf!«, verlangte ich. »Mir schwirrt der Kopf. Sagt nichts mehr. Was der Mann dort drüben gesagt hat, stimmt. Ich weiß nichts über diese elende, verbrannte Kreatur. Ich weiß nicht, wieso ich diese Träume habe. Ich glaube, eine Frau schickt sie mir. Es könnte die Königin sein, die ich euch beschrieben habe, die Königin, die in Ketten auf dem Thron sitzt und weint, ich weiß nicht, warum!«
    »Diesen Mann habt Ihr nie gesehen?«, fragte der Priester.
    Der Römer antwortete an meiner Stelle: »Hat sie nicht.«
    »Oh, da kommen ja schon wieder Eure wunderbaren Talente als Sprecher zur Geltung!«, sagte ich zu ihm.
    »Ich bin entzückt! Warum versteckt Ihr Euch hinter Eurer Toga? Warum steht Ihr da drüben, so weit weg, dass ich Euch nicht richtig erkennen kann? Habt Ihr diesen Bluttrinker gesehen?«
    »Übt Nachsicht mit mir«, antwortete er. Das war so charmant gesagt, dass ich es nicht fertig brachte, ihn weiter anzugreifen. Ich wandte mich wieder an den Priester und die Priesterin.
    »Warum lauert ihr diesem schwarzen Mann, diesem Schwächling, nicht auf?«, wollte ich wissen. »In meinem Geist ertönen Stimmen. Aber die Worte kommen von einer Frau; sie warnt mich vor einer Gefahr. Es ist das Lachen einer Frau. Ich möchte nun gehen, ich möchte nach Hause. Ich habe etwas Dringendes zu erledigen und muss klug vorgehen. Ich muss aufbrechen.«
    »Ich werde Euch vor Eurem Feind schützen«, erklärte der Römer.
    »Das ist reizend«, spottete ich. »Wenn Ihr mich beschützen könnt, wenn Ihr wisst, wer mein Gegner ist, wieso könnt Ihr dann nicht auch diesem Bluttrinker auflauern? Fangt ihn mit einem Gladiatorennetz. Stoßt fünf Dreizacke in ihn. Fünf Leute können ihn bändigen. Ihr braucht ihn doch nur festzuhalten, bis die Sonne aufgeht; die Strahlen des Amon Ra werden ihn töten. Vielleicht dauert es zwei oder drei Tage, doch töten werden sie ihn.
    Er wird verbrennen wie ich in meinem Traum. Und Ihr, Gedankenleser, warum helft Ihr nicht dabei?«
    Ich brach

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