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Anne Rice - Pandora

Anne Rice - Pandora

Titel: Anne Rice - Pandora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pandora
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ab, entsetzt und verstört. Warum war ich mir dessen so sicher? Warum nannte ich den Namen Amon Ra so ungezwungen, als glaubte ich an diesen Gott? Ich wusste kaum etwas über ihn.
    »Er weiß, wenn wir ihm auflauern«, sagten Priester und Priesterin. »Er weiß auch, wann unser Freund hier ist, dann kommt er nicht. Wir sind wachsam und geduldig; wenn wir denken, wir werden nichts mehr von ihm sehen, dann taucht er wieder auf. Und nun kommt Ihr auch noch mit diesen Träumen.«
    Wie ein greller Blitz stieg einer der Träume wieder vor mir auf. Ich war ein Mann. Ich schritt und fluchte. Ich weigerte mich, etwas zu tun, das man mir befohlen hatte.
    Eine Frau weinte. Ich wehrte die Leute ab, die mich aufhalten wollten. Aber als ich fortrannte, hatte ich nicht damit gerechnet, in einem Wüstengebiet zu stranden, wo es keinen Schutz für mich gab.
    Falls die anderen mich ansprachen, merkte ich es nicht.
    Ich hörte die Frau aus meinem Traum weinen, es war die gefesselte Königin, und auch sie war eine Bluttrinkerin.
    »Du musst von der Urquelle trinken«, sagte der Mann in meinem Traum. Aber er war gar kein Mann. Und ich war kein Mann. Wir waren Götter. Wir waren Bluttrinker. Deshalb vernichtete mich die Sonne. Es war die Kraft eines mächtigeren Gottes. Dieses winzige Erinnerungsstückchen blitzte aus zahllosen Traumschichten hervor.
    Ich kam wieder zu mir oder vielmehr zu den anderen, die ich wieder wahrnahm, als mir jemand einen Becher Wein in die Hand drückte. Ich trank. Es war ein hervorragender Wein aus Italien, und ich fühlte mich erfrischt, obwohl auch sofort schläfrig. Wenn ich noch mehr davon trinken würde, wäre ich für den Rückweg zu müde. Ich brauchte meine Kraft.
    »Nehmt das fort«, sagte ich. Ich schaute die Priesterin an. »Ich habe Euch gesagt, dass ich in den Träumen ei-ne von ihnen war. Sie wollten, dass ich von der Königin trinke. Sie nannten sie die ›Urquelle‹. Sie behaupteten, sie wisse nicht mehr, wie man herrscht. Ich habe Euch das erzählt.«
    Die Priesterin brach in Tränen aus und kehrte uns den Rücken zu, ihre schmalen Schultern zuckten.
    »Ich gehörte zu den Bluttrinkern«, sagte ich. »Mich dürstete nach Blut. Hört zu, ich bin kein Anhänger von Blut-opfern. Was wisst ihr hier? Existiert Königin Isis irgendwo innerhalb des Tempels, in Fesseln gelegt?«
    »Nein«, schrie der Priester. Die Priesterin drehte sich um und wiederholte das entsetzte Nein wie ein Echo.
    »Also gut, aber ihr habt gesagt, es gebe Sagen, dass sie irgendwo körperlich existiert. Was, glaubt ihr, geschieht hier? Hat sie mich zu sich gerufen, damit ich diesem einen, diesem verbrannten Schwächling helfe?
    Warum ich? Wie könnte ich das? Ich bin eine Sterbliche.
    Dass ich mich an Träume von einem vergangenen Leben erinnere, steigert meine Fähigkeiten noch nicht. Hört mir zu! Es war eine weibliche Stimme, wie schon gesagt, die innerlich zu mir sprach, vor einer knappen Stunde, da draußen auf dem Forum, und sie sagte: ›Ich bin die, die dich gerufen hat.‹ Das habe ich gehört, und sie schwor, sie wolle nicht zulassen, dass ich ihr geraubt werde.
    Dann taucht dieser sterbliche Mann auf, der für mich eine wesentlich größere Bedrohung darstellt als jede Stimme in meinem Kopf. Die Stimme warnte mich vor ihm! Ich will mit keiner eurer mysteriösen ägyptischen Religionen etwas zu tun haben! Ich lehne es ab, verrückt zu werden.
    Ihr seid nun an der Reihe, ihr alle – und besonders dieser begabte Gedankenleser –, ihr müsst dieses Wesen finden, ehe es noch mehr Unheil anrichtet. Lasst mich gehen.«
    Ich stand auf und wollte den Raum verlassen.
    Hinter mir erklang plötzlich die Stimme des Römers, sehr sanft: »Wollt Ihr wirklich allein hinaus in die Nacht, obwohl Ihr ganz genau wisst, was Euch erwartet – dass Ihr einen Feind habt, der Euch töten will, und dass Ihr noch dazu durch Eure Träume etwas wisst, das diesen Bluttrinker auf Eure Fersen hetzen könnte?«
    Mit seiner halb sarkastischen Ausdrucksweise schlug dieser windige Gedankenleser einen ganz anderen Ton an, so dass ich fast lachen musste.
    »Ich gehe jetzt nach Hause!«, sagte ich bestimmt.
    Alle verlegten sich, in verschiedenen Tonarten, aufs Bitten: »Bleibt doch hier im Tempel.«
    »Auf keinen Fall«, sagte ich. »Wenn die Träume wieder auftreten, werde ich sie für euch niederschreiben.«
    »Wie könnt Ihr nur so töricht sein«, sagte der Römer mit übertriebener Ungeduld. Man hätte denken können, er wäre mein Bruder!
    »Das

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