Annebelle - sTdH 2
Ehemann.
Die
Herzogin von Allsbury, die entschlossen schien, so zu tun, als sei dies eine
ganz normale Gesellschaft und durchaus keine Hochzeit, klagte bitter über die
Umstände, unter denen Leigh Hunt, Herausgeber von The Examiner, im
Gefängnis lebte. Nicht, daß diese Umstände etwa hart gewesen wären, bedrückte
Ihre Gnaden, sondern daß sie so lächerlich gemütlich waren.
Leigh Hunt
war im Jahr zuvor eingesperrt worden, weil er im Examiner geschrieben
hatte, der Prinzregent sei ein »Schänder seiner Arbeit, ein Libertin, der bis
über beide Ohren in Schulden und Schande steckt, ein Verächter häuslicher
Bindungen, Gefährte von Spielern und Halbweltdamen, ein Mann, der soeben ein
halbes Jahrhundert vollendet hat, ohne sich mit einer einzigen Tat die
Dankbarkeit seines Landes oder den Respekt der Nachwelt zu verdienen«. Es hieß,
Mr. Hunts Zelle sei mit Rosenspalieren tapeziert, die Decke mit Himmel und
Wolken bemalt, die Fenster mit Jalousien versehen, und niemals mangele es ihm
an Blumen. Auch Bücher und sein Klavier durfte er bei sich haben.
»Was
lächerlich ist«, sagte die Herzogin, »nach dem, was er über unseren lieben
Prinzregenten gesagt hat.«
»Weswegen
wurde er angeklagt?« fragte Lady Godolphin, die in den Zeitungen selten etwas
anderes las als die Kriegsberichte. »Anstiftung zum Aufruhr.«
»Ach du
liebe Güte!« sagte Lady Godolphin. »Wollte er das Mädchen nicht heiraten?«
Doch
Annabelle verlor den Faden dieser Unterhaltung. Sie starrte hinunter auf die
breiten, starken Hände ihres Gatten. Bald würde es ihm gestattet sein, zu tun,
was er wollte. Lord Sylvester lachte über etwas, das Minerva sagte. Er war
kühl und elegant wie immer, seine langen, weißen, fast femininen Hände hielten
das Weinglas. Könnte ich nur Minerva sein! Hätte ich doch Sylvester heiraten
können! dachte Annabelle und schloß die Augen, weil eine plötzliche Welle von
Schmerz sie durchfuhr.
»Fühlst du
dich schwach?« fragte die besorgte Stimme des Marquis. »Nein«, flüsterte
Annabelle. »Ich – ich habe zuviel getrunken.« Minerva kam das Hochzeitsmahl
endlos vor; Annabelle fand es nur zu kurz.
Minerva und
Lord Sylvester sollten als erste aufbrechen. Minerva legte die Arme um
Annabelle und drückte sie fest an sich. »Wie ich dich vermissen werden, Bella«,
sagte sie mit Tränen in den Augen. »Aber ich werde dir jeden Tag schreiben.«
Annabelle
gab ihrer Schwester einen ungeduldigen kleinen Schubs und trat zurück.
»Rede
keinen Unsinn, Merva«, sagte sie. »Warum solltest du dir die Mühe machen, von
St. James aus zu schreiben, wo wir doch praktisch Nachbarn sind? Du alberne
Person! Wir werden fast jeden Tag der Saison zusammen sein.«
»Aber ich
habe es dir doch gesagt«, erwiderte Minerva verzweifelt. »Sylvester und
ich beginnen die Hochzeitsreise in Neapel. Wir reisen jetzt ab. Ich ...«
Eine Gruppe
lachender Gäste unterbrach sie und schob Minerva zur Tür der Halle, wo
Sylvester sie erwartete.
Minerva
wandte sich nach Annabelle um, sah deren Blick auf Lord Sylvester, sah darin
alle Liebe und Sehnsucht. Und dann legte Sylvester einen Arm um Minervas
Taille und führte sie aus dem Haus.
»Annabelle
sieht aus, als habe sie einen Geist gesehen«, sagte Squire Radford von seinem
Platz hinten in der Halle aus. Der Vikar wandte sich ihm zu und blickte zu
Boden.
»Vielleicht
hätte ich es verhindern sollen, Jimmy. Wir wollen uns aus dieser gräßlichen
Gesellschaft davonmachen und sehen, ob wir eine anständige Flasche Portwein bekommen.
Ich brauche deinen Rat.«
»Fragst du
nie unseren Schöpfer um Rat?« fragte Squire Radford mit einem lustigen Zwinkern
seiner alten Augen.
»Oh, ich
hinterlasse meine Besuchskarte ziemlich oft«, sagte der Vikar. »Aber du weißt
ja, was die Bibel sagt: ›Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott‹.«
»Das hat
Jean de La Fontaine gesagt.«
»Wer ist
das?«
»Ein
französischer Herr, sehr berühmt für seine Fabeln.«
»Wie dieser
griechische Bursche, von dem Edwin dauernd faselt?«
»Äsop?«
»Derselbe.«
»Ja.«
»Na ja,
diese Ausländer überlasse ich dir.« Er spitzte die Ohren. »Sie ist fort!«
Von draußen
ertönte ein schreckliches Wehklagen.
»Herr im
Himmel! Wer ist das?«
»Meine
Frau.«
»Meinst du
nicht, wir sollten ...«
»Nein«,
sagte der Vikar. »Sie genießt es. Sie hat die Krämpfe ihres Lebens, und die
Blüte der Londoner Gesellschaft sieht ihr dabei zu. Komm, Jimmy.«
Die beiden
Herren fanden ein ruhiges
Weitere Kostenlose Bücher