Annebelle - sTdH 2
Nimm Hochwürden John
Russell aus North Devon. Du hast sicher von seiner berühmten Foxterrierzucht
gehört. Seine Tiere stammen alle von einer kleinen, weißen Hündin ab,
die er in Oxford von einem Milchmann gekauft hatte.«
»Nie von
ihm gehört. Sicher alles nur Geschwätz«, brummte der Vikar verdrossen. Dann
hellte sich sein Gesicht auf. »Ich sage dir, Jimmy, ich werde froh sein, wenn
ich die Hauptstadt endlich hinter mir lassen kann. Das ist kein Ort für einen
Jäger. Und die Zeitungen schimpfen auch immer über die jagende Geistlichkeit.
Viele sind gegen Hetzjagden. Warum jagen sie dann keine Fasane? Ich hasse Fasane.
Sie haben den Fuchs vertrieben und das Land demoralisiert. Füchse sind schlau,
deshalb ist die Fuchsjagd das Größte. Habe ich dir schon mal von diesem
Gasthaus ›Zum Grünen Mann‹ drüben bei Hopeminster erzählt? Sie hielten
sich einen zahmen Fuchs in der Küche, der in einem Laufrad den Bratenwender
antreiben mußte. Eines Tages machte Reineke Fuchs sich davon, fiel über die
Gänse her und verschwand dann.
Am nächsten
Tag ließen wir die Hunde los und nahmen nicht weit vom Gasthof seine Fährte
auf. Er führte uns dreißig Meilen über Land, schlug dann einen großen Bogen,
lief zurück, verschwand in der Küche des Gasthofs, sprang in das Laufrad und
drehte den Bratenspieß, als sei nichts gewesen. Die Hunde hätten ihn erwischt,
aber diese fette Köchin, Bessy, hatte einen Narren an ihm gefressen. Sie
versteckte ihn unter ihren Röcken, kreischte und verjagte die Hunde mit dem
Kochlöffel. Dieser elende Fuchs ist doch tatsächlich an Altersschwäche gestorben
– so was ist einfach nicht fair.«
Der Squire
seufzte, zog die Decke aus Bärenfell enger um seine Beine und
tastete mit den Füßen nach dem heißen Ziegelstein.
»Machst du dir überhaupt
etwas aus deiner Tochter?« fragte er.
»Natürlich«, raunzte der Vikar mürrisch.
»Schließlich bin ich ihretwegen in
dieser verdammten feuchten Nacht hier draußen.«
»Horch!«
sagte der Squire und hob einen Finger.
Man hörte
das Zuschlagen einer Haustür.
Der Vikar
streckte den Kopf aus dem Kutschenfenster.
»Weggegangen!«
rief er und äugte hinter der großen Gestalt des Marquis her, die mit langen
Schritten die Straße hinunterging. Er hob mit dem Stock die Klappe an und
schrie: »Ihm nach, verdammt!«
Die Kutsche
rumpelte vorwärts.
Eine
Zeitlang war der Marquis taub für alles außer der Wut, die in seinen Ohren
dröhnte; schließlich aber hörte er doch, daß man mit lautem Schreien und Hallo
nach ihm rief.
Er blieb
stehen, drehte sich um und fand sich Auge in Auge mit dem Vikar, der aus dem
Fenster von Lady Godolphins Kutsche hing.
.»Sie!« rief der Marquis
angewidert.
»Steigen
Sie ein«, sagte der Vikar.
»Im
Augenblick«, antwortete der Marquis zähneknirschend, »will ich weder mit Ihnen
noch mit Ihrer Familie etwas zu tun haben.«
»Deswegen
sind wir ja hier. Wir wußten, daß Sie wütend herauslaufen würden.«
»Sie wußten ...«
Der
Marquis, der sich schon abgewandt hatte, drehte sich wieder um. Sein Gesicht im
trüben Schein der Straßenlaterne war bleich und verzerrt.
Der Kopf
des Vikars verschwand, dafür erschien der von Squire Radford. »Es muß Ihnen
sehr merkwürdig vorkommen, Mylord«, sagte er mit seiner kultivierten Stimme,
»aber ich versichere Ihnen, Ihre Gefühle in dieser Angelegenheit sind
keineswegs originell. Solche Dinge passieren auch in den bestorganisierten
Hochzeitsnächten.«
»Ich
glaube, Sie beide sind mir eine Erklärung schuldig«, sagte der Marquis.
»Aber nicht
hier«, erwiderte der Squire. »Eine Flasche Burgunder in Humbolds Kaffeehaus
dürfte Ihren Kummer und Ihre Anspannung lindern. Kommen Sie, mein lieber Herr.«
Er öffnete
den Wagenschlag. Mit einem Achselzucken zog der Marquis den Kopf ein und
kletterte in die Kutsche.
Annabelle erwachte vom Geräusch eines
gedämpften Wortwechsels im Ankleidezimmer neben ihrem Schlafzimmer.
Plötzlich
wurde die zittrige Stimme von Jensen, dem Butler des Marquis, lauter. »Sehen
Sie her, mein Kind«, sagte er verzweifelt. »Wenn Mylady sich ein ungeübtes
Landmädchen zur Kammerzofe wählt, dann habe ich die Pflicht, Sie zu unterweisen.
Wir legen im Brabington-Haushalt stets die höchsten Maßstäbe an und sind nicht
gesonnen, diesen Anspruch zu verringern. Also: Ein seidenes Kleid wird nicht gebürstet. Es wird vorsichtig mit einem Tuch aus Merinowolle abgerieben, das nur zu
diesem Zweck dient. Die Hüte und Hauben von
Weitere Kostenlose Bücher