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Annebelle - sTdH 2

Annebelle - sTdH 2

Titel: Annebelle - sTdH 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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abholen.
    Plötzlich
hörte sie das Rattern von Rädern und stand regungslos. Das Herz klopfte ihr bis
zum Hals.
    Eine offene
Kutsche fuhr unter dem Fenster vorbei. Doch darin saß nicht der Marquis. Die
Kutsche beförderte zwei junge Herren und zwei junge
Damen in voller Abendtoilette mit glitzernden Juwelen. Sie wirkten sehr
fröhlich und sorglos; der Klang ihres Lachens tönte bis in den stillen Raum, in
dem Annabelle stand.
    Auf der
Stelle entschloß sie sich, doch zu gehen. Sie läutete nach Betty und ließ sich
von ihr beim Anziehen des Ballkleides helfen. Es war zwar gar nicht Annabelles
Art, den Kummer anderer zu bemerken, doch jetzt fiel ihr die Verzweiflung des
Mädchens auf. Bettys Augen waren vom Weinen verquollen; sie hatte ihren
munteren Gang verloren und ließ traurig die Schultern hängen.
    »Was ist
los?« fragte Annabelle abrupt.
    »Nichts,
Mylady.«
    Die ungewohnte
Demut in Bettys Augen veranlaßte Annabelle, sie mit plötzlicher Besorgnis
anzusehen.
    Betty
konnte hinterhältig, geschwätzig, aufreizend und frech sein, doch gewöhnlich
war sie glücklich und gutartig, und sie war schon seit ihrem zehnten Lebensjahr
bei der Armitage-Familie.
    »Setz dich
hin«, sagte Annabelle ruhig. »Ich bin ohnehin spät dran, also kommt es auf ein
paar Minuten auch nicht mehr an. Irgend etwas stimmt nicht, Betty. Du hast doch
einen Kummer! Ich sehe dich nicht gern so verzweifelt.«
    Bei diesem
unerwarteten Mitgefühl ihrer Herrin sperrte Betty den Mund auf und brach in
lautes Weinen aus.
    Unter
Heulen und Schluchzen gab sie zu verstehen, sie leide unter Heimweh. Die über
ihr stehenden Dienstboten behandelten sie mit Verachtung. Sie sehnte sich nach
dem Pfarrhaus zurück. Sie vermißte John Summer. John Summer war der
Pfarrkutscher, der auch als Stallknecht, Hundeführer und Treiber diente.
    »Bist du
verliebt in John, Betty?« fragte Annabelle.
    »O ja, Miss
Bella«, schluchzte Betty und vergaß Annabelles Titel. »Sehr.«
    »Dann
trockne deine Tränen«, sagte Annabelle. »Ich werde Mutter morgen früh sagen,
sie soll dich mitnehmen, wenn sie nach Hopeworth zurückfährt. So, nun kannst
du dich beruhigen.«
    »Miss
Bella!« rief Betty und begann erneut zu weinen, diesmal vor Freude. »Ich bin
Ihnen so dankbar! Aber es wird mir schwerfallen, Sie hier bei all diesen
Fremden zu lassen.«
    »Ich habe meinen Mann.«
    »Ja,
natürlich, Madame«, sagte Betty und starrte auf den Teppich.
    »Nun, das
wäre geregelt«, sagte Annabelle heiter. »Und jetzt such mir den Fächer mit den
Perlmuttstäbchen, den Lady Godolphin mir geschenkt hat.«
    Annabelle
hatte das himmelblaue Satinkleid mit dem Saum aus Zakkenspitze und den Ärmeln
mit Perlenverschlüssen an, das auch Minerva bei ihrem Debut getragen
hatte. Sie legte das Halsband um, das der Marquis ihr geschenkt hatte, und
drehte sich dann vor Betty im Kreis. »Wie sehe ich aus?«
    »Sie sehen
wunderschön aus, Mylady«, hauchte Betty, und Annabelle sah das Mädchen
überrascht an, denn sie hatte das übliche Naserümpfen erwartet, gefolgt von
»Schön ist, wer schön handelt«.
    Aber Betty
fehlten die Worte, um zu erklären, daß Annabelle dieses eine Mal innerlich
genauso schön war wie äußerlich.
    »Es kommt
mir nicht richtig vor, daß Sie allein gehen«, fügte Betty hinzu. »Ich werde
meinen Hut und meinen Umhang holen und mit Ihnen in der Kutsche fahren, Mylady,
wenigstens bis vor die Tür.«
    »Nein«,
sagte Anabelle, »das wird nicht nötig sein.«
    Dann schloß
sie Betty impulsiv in die Arme und ging die Treppe hinunter.
    Die Kutsche
mit den zwei hochgewachsenen Lakaien, die auf den Trittbrettern standen,
wartete draußen. Sie halfen Annabelle hinein, klappten dann die Trittbretter
auf und hängten sich an die hinteren Riemen, während der Kutscher mit der
Peitsche knallte.
    Annabelle
verlor einen großen Teil ihrer Ängste. Sie war jung, und sie war bei Nacht
unterwegs im Westend Londons, wo die Fackeln vor den großen Häusern prasselten
und flackerten und die Lampen der Kutschen wie Glühwürmchen durch die
Dunkelheit schwärmten.
    Da ihr Mann
bereits eingetroffen war, brauchte sie keine Einladungskarte vorzuweisen.
    Sie ließ
ihren Umhang in einem Vorzimmer im Erdgeschoß, straffte die Schultern und stieg
langsam die geschwungene Treppe hinauf, den Klängen der Musik aus den Zimmern
im ersten Stock entgegen.
    Sie stieß
einen kleinen Seufzer der Erleichterung aus. Der Herzog und die Herzogin
warteten nicht mehr, um die Gäste zu empfangen, sondern
hatten

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