Annebelle - sTdH 2
der Herzogin von Ruthfords. »Ihre Gnaden, gestatten Sie, daß ich
Ihnen meine Frau vorstelle, Lady Brabington. Meine Liebe, Ihre Gnaden, die
Herzogin von Ruthfords, meine Frau. Der Herzog von Ruthfords.«
»Sie sind
aus der Gegend von Berham, nicht wahr?« sagte die Herzogin und fixierte
Annabelle mit frostigem Blick. »Wie geht es dem alten Osbadiston?«
Zu
Annabelles Ärger hatte der Marquis dem Herzog einen Arm um die Schulter gelegt
und schlenderte mit ihm davon.
Sie zwang
sich, auf die Fragen der Herzogin zu antworten, und wandte sich erleichtert um,
als ein hübscher, zerstreuter Mann kam und sie um den nächsten Tanz bat.
»Mein Name
ist Wayne«, sagte er. »Ihre Gnaden wird mir sicherlich erlauben, den Walzer mit
Lady Brabington zu tanzen?«
Die
Herzogin nickte kühl. Annabelle hatte bei Minerva den Walzer gelernt, doch dies
war das erste Mal, daß sie ihn mit einem Mann tanzte. Es war ziemlich
schockierend. Ein Mann legte ihr mitten in einem Raum voller Leute eine Hand
um die Taille. Sie hätte diesen Tanz mit ihrem Mann tanzen sollen! Doch
zumindest würde er ihn mit kei ner anderen tanzen. Aber dann weiteten sich
Annabelles blaue Augen entsetzt. Denn der Marquis schwang sich mit einer sehr
eleganten Dame über die Tanzfläche und hielt diese Dame viel zu eng an
sich gedrückt.
Zorn stieg
in Annabelle auf. Sie bedachte ihren Partner mit einem strahlenden Lächeln.
Sir Guy lächelte
zurück. »Sie sollten mich nicht so ansehen, Lady Annabelle«, sagte er mit
spöttischem, zärtlichem Ton, »sonst könnte ich vergessen, daß Sie jung
verheiratet sind. Sie sind bei weitem das schönste Geschöpf, das ich je gesehen
habe.«
»Wirklich,
Sir, Sie übertreiben«, sagte Annabelle, obwohl dieses Kompliment Balsam für
ihre verwundete Seele war.
»Nein, ich
übertreibe nie«, sagte er leichthin. Trotz ihres Kummers begann Annabelle, sich
ein wenig zu amüsieren. Er war ein wunderbarer Tänzer. Er war älter als ihr
Mann, dachte Annabelle, während sie ihn verstohlen betrachtete. Doch er war
aufregend mit seinen weltmännischen Manieren und seinen blassen, fast
farblosen Augen, die sie unter den schweren Lidern hinweg so spöttisch
beobachteten. Seine Nase war schmal und gerade, sein Mund klein, aber
wohlgeformt. Seine Haut war sehr weiß, wie grob gekörntes Pergament, und er
trug keine Schminke. Irgendwie vermittelte er ihr ein prickelndes Gefühl von
Gefahr, das Bewußtsein einer anderen Welt. Sie begann, ihren Mann beinahe zwei
Minuten lang zu vergessen.
»Ich würde
Sie gern bitten, morgen mit mir auszufahren«, sagte Sir Guy, »aber ach, eine so
schöne und frisch verheiratete Dame wird das Altmodischste tun, was es gibt,
und überall mit ihrem Gatten hingehen.«
In diesem
Augenblick schenkte der Marquis seiner Partnerin ein bestrickendes Lächeln.
Annabelle biß die Zähne zusammen.
»Wir gehen
unsere eigenen Wege, Sir«, sagte sie leichthin. »Wenn Sie morgen bei mir
vorsprechen wollen, werde ich Sie gern begleiten.«
»Ich
betrachte mich als den glücklichsten der Männer. Alle Welt wird mich beneiden.«
»Sie
schmeicheln mir zu sehr, Sir.«
Für einen
Augenblick hielt er sie etwas fester. »Im Gegenteil, Mylady, ich sage nur die
Wahrheit.«
Als sie
nach dem Tanz umhergingen, zwang Annabelle sich, nicht nach ihrem Mann Ausschau
zu halten. »Gewiß sind Sie nicht verheiratet«, sagte sie.
»Nein, ich
habe noch nie eine Frau kennengelernt, die mein Interesse länger als vierzehn
Tage fesseln konnte.«
»Dann werde
ich mich Ihrer Gesellschaft erfreuen, solange ich es darf«, lachte Annabelle.
»Wir werden
sehen«, antwortete er. Annabelle wurde um den nächsten Tanz gebeten, und bald
begann sie sich über etwas anderes Gedanken zu machen. Sie war äußerst
hungrig. Paare schlenderten auf das Speisezimmer zu, aus dem der Duft von
Speisen strömte. Ihr Magen gab ein lautes Knurren von sich. Sie hoffte, es sei
im Klang der Musik untergegangen.
Ihr Mann
hätte zur Stelle sein sollen, um sie in das Speisezimmer zu führen, dachte sie
ärgerlich. Und wohin war er gegangen? Denn die hochgewachsene Gestalt des
Marquis war nicht zu sehen.
Im
Augenblick war ihr Partner ein Mr. Bassington. Er war ein schüchterner junger
Mann, mit ziemlich reizlosen Zügen, und etwas unsicher, doch als er stammelte,
es werde ihm eine Ehre sein, Mylady ins Speisezimmer zu geleiten, strahlte
Annabelle ihn an, als sei er ein Adonis.
Sie fühlte
sich ganz schwach vor Hunger und sah zu, wie Mr. Bassington ihren Teller
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