Annebelle - sTdH 2
war
es entschieden keine Liebesheirat«, sagte Sir Guy und klopfte mit dem Monokel
gegen seine Zähne. »Von seiner Seite bestimmt nicht. Brabington war schon
immer ein kalter Fisch.«
»Mit
Brabington würde ich mich nicht anlegen«, warnte Mr. Worth. »Du weißt doch, wie
diese hitzigen Haudegen sind. Sie fordern einen unter dem geringsten Vorwand
zum Duell.«
»Mich hat
noch nie jemand zum Duell gefordert«, sagte Sir Guy, seine blassen Augen auf
die tanzende Gestalt Annabelles geheftet. »Ich bin zu diskret und mache der
Dame erst den Hof, wenn ich sicher weiß, daß es dem Ehemann gleichgültig ist.
In diesem Fall würde ich gern Unruhe stiften, ganz gleich, was Brabington für
sie empfindet. Ich will mich an ihm rächen.«
»Himmel!
Wie barbarisch das klingt! Ich hätte dir nie so starke Gefühle zugetraut.
Warum? Was ist passiert?«
»Es war vor
ein paar Jahren. Ich spielte im Bell in Newmarket nach den Rennen Karten und
war gerade dabei, dem jungen Evanton den Rest seines Vermögens abzunehmen, als
Brabington sich vorbeugte, meine Karten ergriff und mit dem Daumen darüberfuhr.
Er rief
aus, sie seien markiert, und ehe ich meine Unschuld beteuern konnte, hatte er
mich beim Kragen gepackt, trug mich heraus zum Ententeich und warf mich
hinein.«
Darauf
folgte ein Schweigen.
»Mein
lieber Freund«, sagte Sir Guy liebenswürdig, »ich habe dir gerade erzählt, wie
übel ich gedemütigt wurde. Hast du nichts dazu zu sagen?«
»Waren sie
es?«
»Was?«
»Die
Karten. Waren sie markiert?«
»Wie kann
ein Freund so eine Frage stellen«, sagte Sir Guy, wandte den Blick und starrte
Mr. Worth mit harten Augen an.
»Oh, es tut
mir leid«, stammelte Mr. Worth, »ich weiß gar nicht, was über mich gekommen
ist.«
»Sag so
etwas nie wieder«, sagte Sir Guy freundlich, »oder ich werde dich mit der
Pferdepeitsche ausprügeln lassen, bis du dein kriecherisches, elendes Leben
aufgibst. Habe ich mich deutlich ausgedrückt?«
»Oh, ja.
Sehr.«
»Ich frage
mich, was ich nun mit der blonden Marquise machen soll. Verletzte Frauen oder
gelangweilte Frauen sind für Flirts und für das Spiel anfällig. Beides wäre mir
recht.«
»Sie ist
eine Pfarrerstochter.«
»Deswegen
ist sie noch nicht tugendhaft, merk dir das. Unsere ganze geliebte
Geistlichkeit hängt an ihren Hunden und Pferden. Einen Mann der anglikanischen
Kirche, der über die materiellen Dinge des Lebens erhaben ist, mußt du mir erst
noch zeigen. Soll ich sie um einen Tanz bitten? O nein, ihr Mann hat geruht,
sie zu bemerken. Schauen wir zu.«
Der Marquis
von Brabington beugte sich über die Hand seiner Frau und plazierte einen Kuß in
die Luft – fünf Zentimeter darüber.
»Sie müssen
mir vergeben, Mylady«, sagte er, »ich war sicher, Sie seien indisponiert. Und
wer wollte mir das übelnehmen? Die schreckliche weiße Maske, die mich über den
Frühstückstisch hinweg anstarrte, diese rotgeränderten Augen, diese ...«
»Sie
belieben zu scherzen, Brabington«, erwiderte Annabelle mit etwas dünner Stimme.
»Ich bin überzeugt, Sie wußten ganz genau, daß ich nicht krank war.«
»Sie sagten
mir aber, Sie seien es«, antwortete der Marquis. »Ich hoffe, Ihr Gedächtnis
läßt Sie nicht im Stich. Wenn Sie sich Dinge, die Sie tun oder sagen, nicht
merken können, müssen Sie sie aufschreiben. Ach, da beginnt es ja, ein
schottischer Reel. Großartig!« Atemberaubend schnell wirbelte er mit Annabelle
über die Tanzfläche. Es bestand kaum Gelegenheit zu einem Gespräch, da sie
durch die Figuren des Tanzes dauernd getrennt wurden. Der Marquis begann zu
ihrem Ärger eine Unterhaltung, als gäbe es die Unterbrechungen nicht.
»Wissen
Sie, Mylady ...«
Pas de bas
»... daß
Mädchen Ihres Alters ...«
Figur
acht
»... den
merkwürdigsten Launen unterworfen sind, die ...« Passieren und Repassieren
»... Lady
Godolphin zweifellos als Follikelbelastung bezeichnen würde. Dennoch ...«
Hände in
der Mitte senken
»... wäre es
mir lieber, da ich ziemlich von ... eh ... Geschäften in Anspruch genommen bin,
wenn Sie ...«
Große
Kette
»...einen
Arzt konsultieren würden.«
Und so ging
es weiter. Sobald Annabelle antworten wollte, wurden sie durch den Tanz wieder
getrennt.
Sie biß die
Zähne zusammen und beschloß, ihre Chance zu ergreifen, sobald der Tanz vorüber
war.
Doch kaum
hatte sie sich aus dem tiefen Knicks erhoben, als der Marquis sie auch schon
entschlossen über die Tanzfläche schob und sie den Gastgebern vorstellte, dem
Herzog und
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