Annebelle - sTdH 2
Beachtung
schenkte.
Trotzdem
war sie entschlossen, eine aufmerksame und liebevolle Ehefrau zu sein. Das
jedoch schien gar nicht so einfach. Als man sich in den Salon zurückzog und die
Herren sich ihren Damen wieder zugesellten, begab sich der Marquis prompt zu
Lady Godolphin, die ebenfalls unter den Gästen war. Ein kleiner Kreis von
Bewunderern umstand Annabelle, und obwohl sie lachte und flirtete, wanderten
ihre Augen häufig in die Ecke, in der der Marquis saß. Sie betete, Lady
Godolphin möge ihm nicht erzählen, wie sie erfahren hatte, daß Colonel Brian
nicht verheiratet war, doch einmal neigte sich der mit einem Turban bekleidete
Kopf von Lady Godolphin sehr nahe zu dem schwarzbehaarten Kopf des Marquis, und
sie flüsterte eindringlich auf ihn ein. Als sie geendet hatte, blickte der
Marquis durch den Raum, und sein Blick traf den seiner Frau. Er war kalt und
abschätzend.
Dann wandte
er sich wieder Lady Godolphin zu und sagte leichthin etwas, während er
aufstand. Die Gäste begannen in das Musikzimmer zu strömen, wo getanzt werden
sollte.
Mehrere
Herren baten Annabelle, mit ihnen zu tanzen. »Ich weiß nicht«, sagte sie, noch
immer ihren Mann beobachtend. »Vielleicht will mein Mann ...« brach sie ab. Der
Marquis verbeugte sich vor Lady Coombes. Diese lächelte ihm zu, ihr ziemlich
hartes Gesicht wurde weich, und sie sah fast kokett aus, als sie seinen Arm
nahm und sich von ihm ins Musikzimmer geleiten ließ.
Wieder
stiegen rebellische Gefühle in Annabelle auf. Warum wollte er nicht
offen zu ihr sein? Wenn er von Lady Godolphin etwas gehört hatte, das ihn veranlaßte,
sie zu tadeln, dann sollte er ihr das sagen, anstatt sie hier in aller
Öffentlichkeit zu brüskieren.
Die
Herzogin hatte das stumme Schauspiel bemerkt und verzog den Mund zu einem
kleinen, zufriedenen Lächeln.
Annabelle
gewährte dem ersten ihrer Verehrer den Tanz und flirtete dann für den Rest des
Abends mit sämtlichen Männern im allgemeinen und Sir Guy im besonderen. Der
Grund, warum sie gerade Sir Guy auswählte, war der, daß sie ihn bereits kannte.
Bei ihm fühlte sie sich sicher. In ihren Augen war er einfach ein Junggeselle
mittleren Alters.
Als
Annabelle von Mr. Charles Comfrey zu einem lebhaften Volkstanz aufgefordert
wurde, fand Sir Guy seinen Freund James Worth an seiner Seite.
»Na, was
meinst du, James«, fragte er und beobachtete Annabelles hübsche Gestalt, die
sich über das Parkett bewegte. »Nimmt die enttäuschte Ehefrau den Köder an?«
»O ja,
gewiß, ganz bestimmt«, sagte Mr. Worth.
»Ich bin
trotzdem nicht sicher«, sagte Sir Guy nachdenklich. »Da besteht eine gewisse
Spannung zwischen ihnen. Sie sind nicht gleichgültig gegeneinander, sosehr sie
sich auch darum bemühen. Ich bin heute nachmittag mit ihr ausgefahren, lieber
James.«
»Und wie
ging es?«
Ȇberhaupt
nicht. Aus dem einfachen Grund, weil jemand säuberlich die Achse meines Wagens
angesägt hatte, damit an einem möglichst öffentlichen Ort das Rad abfiele –
was es auch prompt tat. Wenn Brabington dahintersteckt – und ich bin sicher,
daß es so ist –, dann habe ich einen weiteren Grund zur Rache. Jetzt ist
ernstlich der Krieg erklärt.«
»Da wir
gerade von Krieg sprechen«, kicherte Mr. Worth, »warum ist unser
feuerschluckender Held noch nicht wieder im Feld?«
»Frisch verheiratet. Bald
wird er zurückkehren.«
»Dann ist
der Weg frei.«
»Du
verstehst mich nicht. Ich will kein leichtes Spiel. Ich will den teuren Marquis
hier in London haben, damit alle seine Demütigung mit ansehen können.«
»Du bist
wirklich ein harter Bursche, Guy!«
Sir Guy
wandte sich rasch von ihm ab, um sich vor Annabelle zu verbeugen, die genauso
strahlte wie die Juwelen um ihren Hals. Ihre großen Augen glitzerten wie
Saphire und waren genauso hart.
»Möchten
Sie tanzen?« fragte Sir Guy. »Es ist ein Walzer.«
Annabelle
blickte durch den Raum. Der Marquis bat Lady Coombes um den Tanz – schon
wieder.
»Nein«,
sagte sie fröhlich, »ich glaube, ich hätte gern eine Erfrischung.«
»Sehr
wohl.« Er legte ihre Hand in seine und führte sie in das Nebenzimmer, in dem
Erfrischungen serviert wurden.
»Gott, ist
mir heiß«, sagte Annabelle ruhelos.
Er reichte
ihr ein Glas geeisten Champagner, das sie durstig austrank.
»Draußen
ist ein recht hübscher Garten«, sagte er und geleitete sie an eine der
Fenstertüren am Ende des Erfrischungsraumes, die auf eine Terrasse mit Stufen
in den nachtschwarzen Garten führten. »Möchten Sie mit
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