Annebelle - sTdH 2
Burrell
schaudernd.
Beide Damen
wandten die Köpfe von diesem beleidigenden Anblick ab und bemerkten daher
nicht die defekte Kutsche, die das Mißgeschick verursacht hatte.
Annabelle
schlug alle Würde in den Wind, schlang die Beine um den Baumstamm und rutschte
daran auf den Boden hinunter.
Sir Guy
rappelte sich auf und versuchte, unbeteiligt auszusehen. Eine Menschenmenge
hatte sich um die defekte Kutsche versammelt. Jemand hielt die Pferde am
Zaumzeug. Die Zugriemen waren zerrissen, und
die erschreckten Tiere wieherten und bäumten sich noch immer auf. Bald
schwirrte die Luft von Beschreibungen dessen, was passiert war, was hätte
passieren können und was hätte passieren müssen.
Annabelle
wurde von der Menge angerempelt und gestoßen. Hilfesuchend blickte sie in Sir
Guys Richtung, doch der war damit beschäftigt, sich mit dem Burschen zu
streiten, der die Pferde eingefangen und beruhigt hatte und dafür offenbar eine
Bezahlung erwartete.
Da sie sich
erinnerte, daß die Conduit Street nicht allzu weit vom Park entfernt war,
machte Annabelle auf dem Absatz kehrt und lief davon.
Zu ihrer
Erleichterung war ihr Mann nicht zu Hause, als sie erhitzt und zerzaust ankam.
Die Uhr in
der Halle zeigte sechs Uhr dreißig. Sie hatte also nur eineinhalb Stunden
Zeit, sich für den Ausgang mit Ihrem Mann anzukleiden.
Betty und
zwei der Hausmädchen mühten sich ab, brachten eine Wanne und Eimer mit Wasser,
wuschen Annabelles Haar und rannten hin und her, um alles herbeizuschaffen, was
sie für den Abend brauchte.
Annabelle
fragte sich, was das für ein Abend werden würde.
Handelte es
sich um einen Empfang oder eine soirée musicale? Schließlich beschloß
sie, ein weißes Kleid mit einer goldgelben Tunika darüber und einen blaßblau
getupften Schal um die Schultern zu tragen. Wieder legte sie das Halsband an,
das der Marquis ihr geschenkt hatte. Während sie sein Gewicht fühlte, dachte
sie daran, daß noch andere Juwelen im Besitz der Familie Brabington sein
mußten, ihr Mann jedoch bisher keine Anstalten gemacht hatte, ihr welche zu schenken.
Mit Bettys
Hilfe gelang es ihr. eine griechische Frisur zustande zu bringen. Sie hatte ihr
Haar aufgesteckt und mit dünnen Seidenbändern durchzogen.
Ihre Augen
im Spiegel sahen sehr dunkel aus. Sie schminkte sich zart das Gesicht; ihr war
es jetzt gleich, ob Betty wußte, daß sie Schönheitsmittel benutzte. Betty
stand mit offenem Mund dabei und beobachtete gebannt Annabelles geschickte
Hände.
Schließlich
war es Zeit, zu ihrem Mann zu gehen. Annabelle fühlte sich beklommen und
unbehaglich und wünschte von ganzem Herzen, sie wäre nicht mit Sir Guy
ausgefahren. Jetzt mußte sie womöglich eine Auseinandersetzung in Kauf nehmen.
Ihr Mann
stand am Kamin, einen Arm auf dem Sims; seine Augen starrten in die Flammen.
Er hatte
ihr Eintreten nicht bemerkt. Sie zögerte auf der Schwelle und beobachtete ihn.
Er sah sehr gut aus. Sein dichtes, schwarzes Haar war à la Titus frisiert.
Er trug einen blauen Seidenfrack mit Stehkragen und goldgelbe Kniehosen, die
sehr eng und sehr gut saßen.
Weiße
Seidenstrümpfe umschlossen faltenlos die Waden, und die flachen Pumps hatten
Diamantspangen. Diamanten glitzerten auch zwischen den Falten seiner
schneeweißen Halsbinde und an seinen Fingern. Die schwere, massive Form seines
Ringes paßte zu seinen starken, breiten Händen.
Der
Widerschein des Feuers flackerte in seinen seltsamen Augen und ließ sie
topasfarben und irgendwie räuberisch aussehen, wie die eines Falken.
Als er
aufblickte und sie sah, betrachtete er sie schweigend. Sein Gesicht war
grimmig und verschlossen.
Und dann
lächelte er sie an. Es war ein blendendes, bezauberndes Lächeln, so unerwartet,
so verheerend in seiner Wirkung, daß Annabelle sich dabei ertappte, wie sie
Entschuldigungen stammelte. »Es – es – tut mir so leid, Brabington. Ich vergaß,
Sir Guy zu sagen, er solle nicht kommen, also kam er, und, sehen Sie ...«
Er kam auf
sie zu und nahm ihre Hände. »Sie sehen göttlich aus«, sagte er. »Und ich bin
erleichtert zu hören, daß Sie nicht wirklich vorhatten, mit Sir Guy auszufahren.
Ich hatte gedacht, Sie könnten allein deshalb gehen, um mir zu trotzen.«
Seine
Stimme enthielt einen leicht fragenden Unterton, und Annabelle senkte rasch
den Blick. »Außerdem«, fuhr er fort, als sie nicht antwortete, »kümmert sich
Sir Guy nicht sonderlich um den Zustand seiner Kutsche und seiner Pferde.«
»Nein«,
sagte Annabelle. »Es gab einen Unfall.
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