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Anni und Alois - Arm sind wir nicht: Ein Bauernleben (German Edition)

Anni und Alois - Arm sind wir nicht: Ein Bauernleben (German Edition)

Titel: Anni und Alois - Arm sind wir nicht: Ein Bauernleben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Seidl , Stefan Rosenboom
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Hilgenreith.

Schlachttag
    E ine neonrote Strickjacke, bis oben zugeknöpft, eine Farbexplosion ganz in Polyacryl. Dazu eine bunt gemusterte Schürze, die nirgends kneift und locker sitzt, mehrmals schon geflickt. Eine gewagte Kombination. Doch der Anni ist das egal, auf Kleidung und Schönheit legt sie keinen großen Wert. Bequem und funktionell, so zieht sie sich an. Die besseren Kleider hebt sie auf für Friedhofsbesuche oder wenn sie zum Einkaufen in das Dorf fährt. Die schlechter erhaltenen taugen für daheim, für den Werktag. Und weil es heute draußen kalt ist, schaut auch eine dicke weinrote Strumpfhose unter dem Kittel heraus.
    Es ist 7 Uhr morgens, ein grauer Tag beginnt, der seinen Kampf gegen den Hochnebel verlieren wird. Anni ist schon länger wach und rumort allein in der Küche. Der Alois liegt noch oben und schläft. Auf dem Herd steht ein riesiger alter Topf mit Wasser. Es ist still im Haus, nur von draußen hört man leise das Gegacker der Hennen, die gerade ihren Stall verlassen haben. Holzscheit für Holzscheit legt Anni in den Herd. Langsam lodern die Flammen auf und spiegeln sich in ihrem Gesicht.
    Noch ein kleiner Schluck Kaffee. Im alten Frisierspiegel steckt die Anni sich die Haare ordentlich zum Dutt zusammen. Eigentlich ein Tagesbeginn wie jeder andere, aber auch wieder nicht – denn heute ist Schlacht tag auf dem Einödhof. Etwa siebzig Masthähnchen schlachtet die Anni im Jahr für ihren großen Bekannten kreis, der schon frühzeitig seine Bestellungen aufgibt. Annis Geflügel ist begehrt, seine Qualität herausragend. Zwölf Wochen leben die Enten in ihrem Schlaraffenland, fünf Monate lang gibt sie den Gänsen Zeit, zartes Fleisch zu entwickeln. Aber »wenn sie weg gehören, dann gehören sie weg«, das ist ihr Credo, da kennt die Anni nichts – bei aller Tierliebe.
    Der Alois tut sich mit dem Schlachten schwerer. Er würde nie einem Tier nur ein Haar krümmen, deshalb bleibt er heute im Bett liegen, bis das Blutbad vorbei ist. »Zum Köpfen geht der Alois nicht raus«, lacht die Anni über ihren zartbesaiteten Mann. Sie zieht ihre Lieblings hausschuhe aus, die grauen Filzpantoffeln mit den großen Löchern. Ordentlich stellt sie sie neben den Herd und sucht im Gang nach ihren schweren Gummistiefeln, einem kleinen Holzprügel und dem scharfen Teppichmesser. Als sie alles gefunden hat, überquert sie langsam den Hof. Ein neonroter Fleck, ein Farbtupfer an diesem grauen kühlen Tag.
    Die Hühner freuen sich, als die Anni kommt. Sie sind zutraulich, einige legen auch ihre Köpfe in Annis Schoß. Vom Ei bis heute sind sie auf dem Einödhof aufgewachsen, mit wunderbarem Futter und Panoramablick auf den Bayerischen Wald. Doch nun hat das Idyll ein Ende. Mit geübtem Griff greift Anni sich die Todeskandidaten heraus, die nicht erschrecken, weil die Anni sie auch sonst gern mal auf dem Arm nimmt. Nur ein kurzes »Gack-gack-gack-gack-gack«, das übliche Hühner-Stakkato, noch wenige Sekunden trennen das Geflügel von seinem Tod. Dann macht ein Schlag auf den Kopf der Vertrautheit ein Ende und ein schneller Schnitt durch den Hals beschließt das Erdendasein von Annis Zöglingen. Das alles geht so fix, dass den Hennen keine Zeit bleibt, in Panik zu geraten. Ein rascher Tod, das ist auch eine Form von Tierliebe. Das geköpfte Federvieh noch in den Händen, erzählt Anni eine ihrer Lieblingsgeschichten:
    Neulich war ich im Supermarkt im Ort. Der Edeka, der große. Die Chefin, die kennt mich schon lange, ich kaufe ja meistens dort ein. Da hat sie mich gefragt, ob ich daheim schon wieder Enten geschlachtet habe. Und bevor ich etwas sagen konnte, ist mir eine junge Frau ins Wort gefallen. Die war nicht von hier, ich weiß nicht, woher die war, auf jeden Fall war sie ein »Preiß«. Die hat dann gesagt, sie kauft sich keine Ente, die geschlachtet wird, sie kauft sich die Ente nur im Supermarkt. Da bin ich aber narrisch geworden und habe sie laut gefragt: »Ja, meinen Sie, dass die Enten in der Fabrik gemacht werden?« – »Ja«, hat die komplett naiv gesagt, »das weiß ich nicht, die sind doch verpackt im Supermarkt, da braucht man sie doch vorher nicht zu schlachten.« Das war vielleicht ein Rindvieh, ein blödes. Der habe ich meine Meinung richtig gesteckt: »Aus was, meinen Sie, werden die Enten gemacht? In einer großen Halle werden die aufgezogen, haufenweise, und wenn einer schlecht wird, dann kann die gar nicht umfallen vor lauter Enten. Die Fabrikenten kommen dann in Großschlächtereien,

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