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Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Titel: Annika Bengtzon 09: Weißer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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Büro wirkt irgendwie ein bisschen … kleiner.«
    »Es war schon immer so klein«, sagte Schyman.
    Dieser Mann hat ernsthaft ein Problem mit der Wahrnehmung, dachte er. Er benimmt sich wie jemand, der an einen Ort seiner Kindheit zurückkehrt und meint, alles sei geschrumpft. Die Vor­stellung, die dieser Typ von den Unternehmen hatte, die er leitete (insgesamt vier, außerdem war er in diversen Vorständen), war hingegen immer gleich, nämlich viel grandioser als die tatsächliche Größe der Firmen. In Wennergrens Welt waren alle Ausgaben von Übel. Einmal, nach einem Dinner des Vorstands, bei dem große Mengen edler Weine geflossen waren, hatte er ge­sagt, dass das Abendblatt ein wohlhabendes kleines Unternehmen sein könnte, »wenn es nur diese Redaktion nicht gäbe«.
    Der Vorstandsvorsitzende räusperte sich.
    »Ihre Kündigung kam nicht wirklich überraschend«, sagte er. »Wir haben gemerkt, dass Sie schon seit einer Weile auf dem Sprung sind.«
    Anders Schyman betrachtete den Vorstandsvorsitzenden und bemühte sich um einen möglichst neutralen Gesichtsausdruck. Diese Behauptung verwunderte ihn in höchstem Maße. Der Vor­stand konnte nicht den geringsten Wind davon bekommen haben, dass er die Zeitung verlassen wollte, denn er hatte nie auch nur ein Wort darüber verloren. Im Gegenteil, bei den Vorstands­sitzungen war gemunkelt worden, dass ihm im Imperium der Eigentümerfamilie erweiterte Befugnisse eingeräumt werden sollten. Anstandshalber hatte er diese Andeutungen demütig entgegengenommen und so getan, als schmeichelten sie ihm.
    »Das ist gut zu hören«, sagte Schyman. »Dann wird es einfacher, einen Nachfolger zu finden.«
    Wennergren hob die Augenbrauen.
    »Wenn Sie schon eine Liste vorbereitet haben, meine ich«, sagte Schyman und betastete das Pflaster an seinem Hinterkopf.
    »Wir dachten, Sie könnten uns dabei behilflich sein«, sagte der Vorstandsvorsitzende. »Der letzte Auftrag, bevor Sie das Feld räu­men.«
    Anders Schyman faltete die Hände auf der Schreibtischplatte, sehr darauf bedacht, dass sie nicht zitterten. Das hatte er nicht erwartet. Nicht diese völlige Verleugnung all dessen, was er über die Jahre geleistet hatte, da war ja nicht einmal der Ansatz eines Versuchs, ihn zum Bleiben zu überreden. Er wusste nicht, was er sagen sollte.
    Herman Wennergren fuhr sich über die Glatze.
    »Solche Dinge können Sie doch gut«, fuhr er leicht bemüht fort. »Ihre Position hier bei der Zeitung bietet Ihnen ein breites Kon­taktnetz und einen tiefen Einblick in die Branche.«
    Sieh an, dachte Schyman. Und ich dachte, es wären meine Person und meine Arbeit, die meine Stellung ausmachen.
    »Welche Kriterien sollte ich bei der Suche nach einem Nachfolger berücksichtigen?«, fragte er milde.
    Der Vorstandsvorsitzende machte eine ausholende Geste.
    »Das wissen Sie selbst wohl am besten.«
    Der scheidende (gefeuerte?) Chefredakteur lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und stellte fest, dass die Lehne sehr intakt und völlig unversehrt knarzte.
    »Geben Sie mir ein paar Anhaltspunkte«, sagte er.
    Wennergren wand sich unbehaglich auf seinem Stuhl.
    »Er soll natürlich glaubwürdig sein. Repräsentativ. Muss in der Lage sein, die Zeitung in Fernsehdebatten zu vertreten. Kostenbewusst. Innovativ und loyal, das ist ja selbstverständlich. Er muss neue Kooperationspartner für Vertrieb und Verkauf finden und gut verhandeln können, muss eine gute Nase haben und neue Nebenprojekte pushen …«
    Es hieß nicht pushen, das war ein Anglizismus. Aber bald würde sicher auch das anerkannt werden, wenn es nicht schon längst im Wörterbuch stand. Und dass sein Nachfolger ein Mann sein würde, schien eine Selbstverständlichkeit zu sein.
    Sie haben mich nicht verdient, dachte Schyman.
    »Und journalistisch?«, fragte er. »Welche Art publizistischer Leitfigur soll ich suchen?«
    Der Vorstandsvorsitzende beugte sich über den Schreibtisch.
    »Jemanden wie Sie«, sagte er. »Einen, der den ganzen Sermon über Demokratie und Pressefreiheit ablassen kann und im Prinzip trotzdem alles publiziert …«
    Er hielt inne – vielleicht weil ihm bewusst wurde, dass er zu weit gegangen war.
    Schyman legte die Hände in den Schoß, da er nicht mehr in der Lage war, sie noch länger ruhig zu halten. Er fragte sich, ob dieser Kerl ihn absichtlich provozierte oder ob er es tatsächlich nor­mal und selbstverständlich fand, ihn derart zu erniedrigen. Kein Wort über seine Erfolge, sein aufopferndes Engagement

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