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Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Titel: Annika Bengtzon 09: Weißer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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für die Zeitung, seine unstrittige Kompetenz, ein Schlachtschiff von der Größe des Abendblatts zu manövrieren.
    Schon als er vor vierzehn Jahren den Posten des Chefredakteurs antrat, hatte Wennergren als Handlanger der Eigentümerfamilie im Vorstand der Zeitung gesessen, jener Publikation, die der Familie das meiste Geld einbrachte und doch am wenigsten respektiert wurde. Das Abendblatt war ein ungeliebtes Stiefkind, aber es machte alle satt.
    Offenbar war aber der Vorstand der Meinung, er sei ein Kasper, der große Reden von Verantwortung und Pressefreiheit schwang und gleichzeitig Scheiße drucken ließ, und als letzten Schlag ins Gesicht trug man ihm jetzt noch auf, für seinen Nachfolger zu sorgen. Dann brauchte sich der Vorstand nicht selbst darum zu kümmern und konnte später die Lorbeeren ernten.
    »Ich würde vorschlagen, dass wir intern suchen«, sagte Schyman. »Es gibt nicht viele Außenstehende, die Tabloid-Sachverstand mit einer glaubwürdigen Haltung kombinieren und nach außen hin vertreten können.«
    »Wir hätten aber lieber jemand Firmenfremden«, sagte Wen­ner­gren.
    »Vom Fernsehen? So wie mich?«
    »Vielleicht noch lieber vom Konkurrenten .«
    Logisch. Den besten Spieler der Gegenmannschaft einkaufen – der klassische Abwerbeversuch im Sport.
    Er betrachtete das blutunterlaufene Gesicht des Vorstandsvor­sitzenden. Ein dumpfer und destruktiver Gedanke nahm in seinem Gehirn Gestalt an.
    »Wir haben hier in der Redaktion ein paar gute Kandidaten, die dem Vorstand vielleicht gar nicht so präsent sind«, sagte er.
    »Meinen Sie Sjölander?«, fragte Herman Wennergren. »Der macht sich im Fernsehen nicht besonders gut.«
    Schyman schaute hinaus zum Desk. Er konnte nur noch ge­win­nen.
    »Wir haben einen neuen Chef am Desk, der großes Potential zeigt«, sagte Schyman. »Er ist so loyal wie kaum ein anderer, ver­fügt über eine große Kreativität im publizistischen Denken und glaubt von ganzem Herzen an den Boulevardjournalismus. Er heißt Patrik Nilsson.«
    Herman Wennergrens Gesicht hellte sich auf.
    »Der die Artikel über den Serientäter geschrieben hat?«
    Schyman hob die Augenbrauen. Wennergren las die Zeitung also doch. Und ausführlich obendrein, Patriks Name hatte nur unter einem einzigen Artikel gestanden.
    »Gustaf Holmerud«, bestätigte Schyman. »Gerade eben ist die Haftbegründung reingekommen, und die ist bombastisch. Holmerud hat bisher fünf Morde gestanden und soll jetzt noch zu sämtlichen ungeklärten Mordfällen der letzten fünfundzwanzig Jahre in Skandinavien vernommen werden.«
    »Ich muss schon sagen«, meinte der Vorstandsvorsitzende.
    Schyman machte eine Kopfbewegung zum Desk.
    »Die Zusammenhänge zwischen den Morden sind Patrik aufgefallen. Er hat die Polizei auf die richtige Spur gebracht.«
    »Patrik Nilsson«, sagte Herman Wennergren, als wolle er den Namen ausprobieren. »Das ist eine richtig gute Idee. Ich werde sie der Eigentümerfamilie vortragen.«
    Er schob den Besucherstuhl zurück und erhob sich.
    »Wann wollten Sie aufhören?«, fragte er.
    Anders Schyman blieb sitzen.
    »Wenn die TS -Zahlen zeigen, dass wir den Konkurrenten überholt haben.«
    »Dann geben wir eine anständige Abschiedsfeier hier in der Redaktion, mit Vorstand und Eigentümern«, sagte Wennergren. »Und ich hoffe inständig, dass die drei Millionen wirklich gut investiert sind. Ist der Mann inzwischen freigekommen?«
    »Soweit ich weiß, nicht.«
    Wennergren grummelte etwas und schob die Glastür auf, trat vorsichtig hinaus in die Redaktion und ging, ohne die Tür hinter sich zu schließen. Der Chefredakteur sah ihm nach, wie er auf den Ausgang zustrebte, den Mantel in der einen, die Aktentasche in der anderen Hand.
    Für ein Boulevardblatt gab es nichts Sensibleres als seine Glaubwürdigkeit, das war sein journalistisches Kapital. Mit ­Patrik Nilsson als Chefredakteur würde kein Monat vergehen, mög­­licherweise auch nur zwei Wochen, bis die Katastrophe per­fekt war. Herman Wennergren, der ihn eingestellt hatte, würde ge­zwungen sein, seinen Posten aufzugeben, und die Zeitung würde für Jahre in Schieflage geraten. Aber vorher musste er, solange er noch Chefredakteur war, den Konkurrenten über­holen. Er würde Skandinaviens größte Tageszeitung mit außer­or­dent­lich gepflegten Finanzen und einem angemessenen journalistischen Renommee hinterlassen.
    Er griff zum Telefon und wählte Annika Bengtzons private Handynummer.
    *
    Sie standen zwischen einem Eselskarren

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