Anonym - Briefe der Lust
Gruß der beiden zu erwidern. Dabei dankte ich dem Himmel, dass ich nicht meinem Drang nachgegeben hatte, in aller Öffentlichkeit zu masturbieren.
Sie warfen nicht einmal einen Blick in Richtung des Apartmentgebäudes, aber ich tat es. Eric hatte sich auf sein Kissen zurückfallen lassen, seine Brust hob und senkte sich heftig, und er hatte eine Hand über die Augen gelegt. Seine Nummer war bereits in meinem Handy gespeichert und nun tippte ich rasch eine Textnachricht ein.
Sehr schön.
Eine halbe Minute später wandte er den Kopf in Richtung seines Nachtschranks, rollte sich auf die Seite und klappte sein Handy auf. Er las die SMS und schaute zum Fenster. Dann stand er von seinem Bett auf, trat ans Fenster und blieb dort einige Sekunden stehen, die Hand am Vorhang.
Ich glaubte zu sehen, wie er mit seinen Lippen ein „Danke“ formte, dann zog er den Vorhang zu.
22. KAPITEL
Es hatte angefangen.
Ich wusste, wie es war, sich nach den Befehlen eines unbekannten Gebieters zu verzehren, der ganz genau spürte, was ich brauchte und es mir gab. Mit einem kurzen Brief und einer noch kürzeren SMS war ich zu Pink Floyd geworden. Dark side of the moon. Ich hatte mich in unbekannte Gefilde gewagt.
Aber war es wirklich so unbekannt?
Wonach hatte ich mich mein ganzes Leben mehr als nach irgendetwas anderem gesehnt? Nach Kontrolle. Über mein Leben, über meine Gefühle. Über jede Situation, in der ich mich wiederfand. Dieses Bedürfnis war eine Last, die ich lange Zeit mit mir herumgetragen hatte, ohne es mir einzugestehen. Das hatte einen großen Anteil am Scheitern meiner Ehe gehabt, und selbst als ich es vor mir selber zugab, änderte es nicht viel für mich.
Ein kleines bisschen von dieser Kontrolle aufzugeben, war eine Erleichterung gewesen. Die Last war für kurze Zeit ein wenig leichter geworden, zumindest erträglicher. Doch am Ende hatte ich nur gelernt, dass ich die Kontrolle nicht aufgeben wollte. Ich wollte nur lernen, wie ich diese Sehnsucht ausleben konnte.
Nachdem ich zugesehen hatte, wie Eric es sich selbst besorgte, ging ich direkt in mein Apartment. Ich setzte mich an den Tisch und spürte, wie die Lust in meinem Unterleib langsam verebbte. Dann öffnete ich den Deckel meiner Lackschachtel und nahm einen Bogen des feinen Papiers heraus. Ich ließ es durch meine Finger gleiten, hielt es vor mein Gesicht und nahm den unerklärlich köstlichen Geruch frischen Papiers wahr.
Miriam hatte recht damit gehabt, dass ich dieses Papier brauchte und etwas Wichtiges finden würde, was ich darauf schreiben konnte, wenn ich es kaufte. Auch was den Stift betraf, hatte sie recht gehabt. Das Schreibgerät, erinnerte ich mich selber an die korrekte Bezeichnung. Ich war keine Chirurgin und auch keine Künstlerin, aber dieser Füllfederhalter war perfekt für das, was ich vorhatte. Als ich den Stift aufs Papier setzte, glitt sein Gewicht perfekt zwischen meine Finger. Die Tinte floss bei jedem Strich ohne Kleckse, Schlieren oder Unterbrechungen. Nun musste ich nur noch die perfekten Worte zum Schreiben finden.
Ich wusste, dass ich als Erstes das hätte schreiben sollen, was mein Englischlehrer einen Entwurf genannt hatte. In keinem der Briefe, die ich bisher verfasst hatte, waren Rechtschreibfehler oder durchgestrichene Wörter vorgekommen. Meine Nachrichten waren nicht direkt poetisch gewesen, aber sauber und ordentlich. Die Spitze meiner Feder schwebte über dem Papier, während ich darüber nachdachte, was ich brauchte und wie ich es ausdrücken wollte.
Ich machte mir eindeutig zu viele Gedanken darüber. Mein Pflichtgefühl hatte sogar meine Erregung gedämpft. Beim Grübeln biss ich so heftig auf meiner Unterlippe herum, dass sie inzwischen schon wehtat.
Also legte ich den Füllfederhalter weg und schob meinen Stuhl nach hinten. Dann stand ich auf und goss mir ein Glas Orangensaft ein, das ich an meinen Küchentresen gelehnt trank, während ich das Papier und den Füller auf dem Tisch anstarrte.
Ich wusste etwas, das Erics bisherige unsichtbare Geliebte nicht zu begreifen schien. Er sah die ganze Sache mit Humor. Auch wenn es ihm sexuelle Befriedigung brachte und er die strenge Hand ebenso genoss, wie ich es für kurze Zeit getan hatte, war er letztlich kein Typ mit Ledermaske, der bei dem Gedanken anfing zu sabbern, einer Frau die Stiefel zu lecken. Er passte nicht in das Klischee, und ich wollte die Angelegenheit nicht zu einem Klischee machen. Das würde ich auf keinen Fall tun. Es bedeutete mir bereits
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