Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anonym - Briefe der Lust

Anonym - Briefe der Lust

Titel: Anonym - Briefe der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Hart
Vom Netzwerk:
aber kaum jemals etwas kauften. Obwohl meine Mom nie auch nur ein einziges Pfund Übergewicht hatte, bevor sie Arty bekam, gründeten sie auch eine Gruppe, die regelmäßig walkte, um in Form zu bleiben. Es war eher eine Entschuldigung, damit sie von uns Kindern wegkamen und tratschen konnten, ohne belauscht zu werden, aber ich hatte sie oft von der Vordertreppe aus beobachtet, wenn sie auf ihren Runden immer wieder vorbeikamen, und fragte mich immer, worüber sie so laut lachten.
    Eric und ich lachten beim Walken nicht. Ich hatte zunächst das Tempo vorgegeben, aber seine Beine waren viel länger als meine, und schließlich bewegten wir uns um einiges schneller voran, als ich es normalerweise tat. Mein Stolz hinderte mich daran, ihn zu bitten, langsamer zu gehen, und mir fehlte die Luft, um mit ihm zu plaudern. Wir eilten an den Bürogebäuden vorbei und erreichten schließlich die Green Street, wo Harrisburg sich sehr plötzlich von einer Stadt in eine ländliche Wohngegend verwandelt. Die meisten der Radfahrer und Jogger, die dort unterwegs waren, fuhren oder liefen in die entgegengesetzte Richtung. Ich war froh, dass eine Unterhaltung wegen unseres Tempos unmöglich war. Eric schien aber ohnehin nicht der gesprächige Typ zu sein. Mit heftigen Armbewegungen galoppierte er eher den Gehweg entlang, als er walkte.
    Aus irgendeinem Grund war es mir egal, dass sich unter meinen Achselhöhlen nasse Flecke bildeten und der Schweiß mir über die Wangen lief. Ich hatte mich nicht mit Make-up aufgehalten, und keine Frau sieht in weiten Trainingshosen hinreißend aus. Wäre ich mit einem anderen Mann unterwegs gewesen, hätte ich im Geist all meine Schwachpunkte aufgezählt und mir inständig gewünscht, wenigstens Lipgloss aufgetragen zu haben, aber bei Eric spielte das schlichtweg keine Rolle.
    Denn ich wusste, dass er sich auf meinen Befehl hin selbst zum Höhepunkt gebracht hatte, und es war egal, wie ich aussah und was ich anhatte. Ich besaß Macht über ihn. Er wusste es nicht, aber es war so.
    Das nahm eine Menge Druck von mir. Ich musste mir keine Gedanken machen, ob er mich mochte oder was er über mich dachte. Das konnte ich jederzeit herausfinden, indem ich ihm eine Nachricht schickte. Und falls ich entschied, dass ich ihn nicht leiden konnte, musste das hier nie über einen Spaziergang am Fluss hinausgehen.
    „Wie weit möchtest du gehen?“ Mit seiner Frage riss er mich aus meinen Gedanken, und ich zuckte zusammen.
    Ich schaute auf meine Armbanduhr und überlegte, wie lange wir schon unterwegs waren und wie viel Zeit wir für den Rückweg brauchen würden. Ich wollte später noch zum Haus meines Vaters fahren. Angeblich um auf die Jungs aufzupassen, während er und Stella zu einer Wohltätigkeitsveranstaltung gingen, aber ich wusste, meine eigentliche Aufgabe war, herauszufinden, welche Laus Jeremy über die Leber gelaufen war. Allerdings war jetzt noch Mittagszeit. Der Himmel war bedeckt gewesen, als wir losgegangen waren, doch nun schien die Sonne. Der erste schöne Frühlingstag – ich wollte ihn nicht vergeuden.
    „Noch eine halbe Meile.“ Ich wischte mir mit dem Handrücken über die Stirn. „Und ich brauche eine kleine Pause, um etwas zu trinken.“
    „Das hast du dir verdient.“
    Wir gingen weiter, wurden aber langsamer. Direkt vor uns endete der Gehweg an einer Stelle, wo die Böschung viel steiler zum Fluss hin abfiel. Auf der anderen Straßenseite gab es einige Restaurants.
    „Lass uns zu ‚Taco Bell‘ gehen“, schlug ich vor, weil ich einfach nicht widerstehen konnte.
    Eric streifte mich mit einem Blick, aber obwohl ich nach einem Lächeln oder einem anderen Zeichen Ausschau hielt, dass er an meine letzte Nachricht dachte, entdeckte ich keinen Hinweis. Er nickte jedoch, und bei der nächsten Lücke im Verkehr überquerten wir die Straße, um auf der anderen Seite weiterzugehen.
    Nachdem wir stehengeblieben waren, bewegten wir uns beide langsamer vorwärts, und als wir über den Parkplatz des Restaurants gingen, hatte ich mich bereits ein wenig abgekühlt. Die Sonne, die so heiß geschienen hatte, war wieder hinter den Wolken verschwunden, und der Wind, der vom Fluss heraufkam, pfiff uns entgegen. Er fühlte sich jedoch gut an und trocknete den Schweiß auf meinem Gesicht.
    Eric hielt mir die Tür auf. Bei einem anderen Mann hätte ich an diese Geste keinen Gedanken verschwendet, aber bei Eric fragte ich mich, ob er es einfach nur tat, weil er höflich sein wollte, oder aus einem tief in

Weitere Kostenlose Bücher