Anonym - Briefe der Lust
der Taco eingewickelt gewesen war, und warf es in den Müll, während ich meinen Becher vom Tisch nahm.
„Wir können uns auf den Rückweg machen“, erklärte ich exakt in dem Augenblick, in dem sein Handy einen Signalton von sich gab.
„Entschuldige mich“, bat er und wartete die halbe Sekunde, die ich brauchte, um zustimmend zu nicken. Dann klappte er sein Telefon auf und überflog die Nachricht. Er lächelte und schob das Handy wieder zurück in die Tasche. „Fertig?“
„Können wir zurück ein bisschen langsamer gehen?“ Ich hob meinen Becher.
„Sicher.“ Eric legte den Kopf in den Nacken und tätschelte grinsend seinen Bauch. „Wenn du möchtest.“
Die rasch hereinbrechende Dämmerung und der auffrischende Wind hielten uns davon ab, zu trödeln, und unsere Unterhaltung ließ die Zeit ebenso rasch vergehen, als wenn wir gerannt wären. Während ich ihm zuhörte, vergaß ich zwischendurch, dass ich ihn hinterging und seine Geheimnisse kannte. Eric hatte viel Sinn für Humor und war klug. Himmel, er war so klug, aber auf eine Weise, die mir nicht das Gefühl vermittelte, dumm zu sein. Er redete über viele verschiedene Themen und gab mir immer Gelegenheit, meine Meinung zu sagen. Und er hörte mir zu, hörte mir wirklich zu, wenn ich antwortete. Als wir schließlich wieder unser Apartmenthaus erreichten, fielen die ersten Tropfen eines kühlen Frühlingsregens, und ich war ein wenig verliebt in ihn.
„Ich muss rein“, erklärte ich vor dem Haupteingang. „Vielen Dank für die Cola.“
„Ich gehe noch ein Stück in die andere Richtung. Eine Meile oder so. Es ist mein freier Tag“, bemerkte Eric. „Ich muss irgendetwas tun, um den Stress loszuwerden, verstehst du?“
Dabei konnte ich ihm helfen, aber das durfte ich ihm nicht direkt sagen. „Sicher. Wir sehen uns.“
Er winkte, und wir trennten uns vor der Tür. Oben in meinem Apartment zog ich meine Sachen aus und ging unter die Dusche, wo ich mir den Schweiß abwusch und über Eric nachdachte. Daran, dass ich ihm gegenüber auf unfaire Weise im Vorteil war, bestand kein Zweifel. Ich hielt mein Gesicht in den Wasserstrahl, während ich mir sein Lächeln und sein Lachen vorstellte und daran dachte, wie er mit seiner Hand seinen Schwanz gestreichelt hatte. Zweifellos wusste ich Dinge, die ich nicht hätte wissen dürfen.
Ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich ihn wegen dieser Dinge lieber mochte, aber es war unmöglich, das herauszufinden. Er war mir aufgefallen, bevor ich all das in Erfahrung gebracht hatte. Vielleicht hieß das, es war Schicksal. Oder Zufall. Oder dummes, blindes Glück. Vielleicht würde ich schon längst nicht mehr an ihn denken, wenn ich nicht eins und eins zusammengezählt hätte. Oder ich hätte zumindest mit ihm gevögelt.
Deine Zeit gehört nicht mehr Dir. Jede Minute Deines Tages untersteht nun meinem Befehl. Ganz gleich, was Du tust, ich erwarte, dass Du darüber nachdenkst, ob Deine Taten mich erfreuen oder verärgern. Ich verlange einen vollständigen Bericht über den Verlauf Deines Abends, von 18 Uhr bis Mitternacht. Stündlich wirst Du mir eine SMS schicken, in der Du mir mitteilst, wo Du in der vergangenen Stunde gewesen bist und was Du getan hast.
23. KAPITEL
„Du hast doch unsere Handynummern, nicht wahr?“ Wie immer war Stella spät dran.
„Sicher.“
Ich war pünktlich da gewesen, ausgerüstet mit einigen Klatschmagazinen, um einen Abend zu überstehen, an dem ich stundenlang Zeichentrickfilme sehen oder mir Tylers Bemerkungen über sein neuestes Videospiel anhören musste. Mein Dad hatte mir ein Abendessen versprochen, doch dabei handelte es sich lediglich um ein paar Tiefkühlpizzen im Backofen, die bei meiner Ankunft schon halb verbrannt waren.
Stella hüpfte auf einem Bein herum, während sie den Riemen ihrer Sandalette höher auf die Ferse schob und gleichzeitig an einem Ohrring herumfummelte. Die Frau konnte unglaublich gut mehrere Dinge gleichzeitig tun. Nachdem sie ihr Outfit an beiden Körperenden in Ordnung gebracht hatte, stellte sie ihren Fuß wieder auf den Boden und schaute mich an. „Hast du abgenommen?“
Ich sah an mir hinunter. „Ich glaube. Ein bisschen.“
Stella wanderte langsam um mich herum und musterte mich aufmerksam. „Du siehst gut aus. Dieser Rock ist hübsch. Ann Taylor?“
Es war typisch Stella, meinen Hintern anzusehen und einen Markennamen zu entdecken. Sie musste nicht unbedingt erfahren, dass ich den Rock bei der Heilsarmee gekauft hatte.
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