Anonym - Briefe der Lust
bin?“
„Weil ich deinen Namen auf dem Display sehen kann, du Depp.“
Er lachte. „Das heißt, du hast mich in deinem Adressbuch gespeichert, stimmt’s?“
Ich wollte es nicht zugeben.
„Paige? Hast du mich in deinem Handy?“
„Ja, aber nur, weil du mich dauernd anrufst.“ Um mich herum schnauzten entnervte Mütter ihre Kinder an, und ich schirmte das Mundstück mit der Hand ab.
„Wo bist du?“
Ich seufzte. ‚Jungle Java.‘
„Bist du mit Arty unterwegs?“
„Nein. Mit Jeremy und Tyler.“
Austin schwieg einige Sekunden. „Kann ich zu dir kommen?“
Ein schreiendes Kind lief an mir vorbei, die Mutter war ihm dicht auf den Fersen. Der Kellner brachte die Pizza an meinen Tisch, und ich verrenkte mir den Hals nach meinen Brüdern und machte ihnen Zeichen, zu kommen. Sie sollten ihr Essen holen, bevor es kalt wurde. Beide bemerkten mich, taten aber, als würden sie mich nicht sehen. „Kleine Bastarde!“
„Was ist nun?“
Ich hatte seine Frage gehört, stellte mich aber taub. „Ich muss Schluss machen, Austin.“
„Du hast keine meiner Textnachrichten beantwortet.“ Austin klang nicht sauer, aber ich ging sofort in die Defensive. Manche Dinge ändern sich nie.
„Entschuldigung. Ich wusste nicht, dass ich dir gegenüber Verpflichtungen habe.“
„Hast du auch nicht, Paige. Ich wollte einfach nur sagen … Ich dachte, solchen Mist hätten wir hinter uns. Himmel. Warum musst du mich immer gleich niedermachen?“
„Du hast mich angerufen“, erinnerte ich ihn. „Was willst du?“
„Was will ich denn immer, wenn ich dich anrufe?“
„Ich habe zu tun“, erwiderte ich lahm.
Auch das nahm er mir nicht übel. „Ich kann in ungefähr zehn Minuten dort sein.“
„In zehn Minuten ist die Pizza aufgegessen, und die Jungs haben ihre Spielmarken durchgebracht.“
„Sieben Minuten.“
„Austin …“ Ich seufzte und gestikulierte, wobei ich dieses Mal aufstand, damit Jeremy und Tyler mich nicht länger ignorieren konnten. „Warum?“
„Um dich zu sehen.“
Er legte auf, bevor ich noch irgendetwas sagen konnte, doch dann begann mein Handy verheißungsvoll zu vibrieren, und ich zog es wieder hervor, um mich auf den neusten Stand zu bringen.
Habe die erste Hälfte von Das Leben des Brian hinter mir. Überlege, ob ich Eis essen soll.
Wieder antwortete ich nicht. Allein durch die Tatsache, dass er meinen Befehlen folgte, wurde mir schwindlig angesichts all der Möglichkeiten, die mir durch den Kopf schwirrten.
Weil ich nun durchweichte Pizza verteilen und aufpassen musste, dass beim Nachfüllen der Gläser kein allzu großes Unheil geschah, dachte ich nicht weiter über Austin nach. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass mein Freund aus der Highschool – inzwischen mein Exehemann – versprach vorbeizukommen und nicht auftauchte. Als ich daher den vertrauten weizenblonden Kopf durch die Menge auf mich zukommen sah, lehnte ich mich erstaunt auf meinem Stuhl zurück und vergaß für den Moment die Pizza in meiner Hand, von der aus das Fett über meine Finger tropfte.
„Austin!“ Für ein paar Sekunden hellte sich Jeremys Miene auf, bis ihm einfiel, dass er wütend auf die ganze Welt war. Er sackte in sich zusammen und hob kraftlos die Hand. „Hallo.“
„Hallo.“ Austin erwiderte Jeremys Gruß mit derselben trägen Bewegung und rutschte neben Tyler auf die Bank. „Rück mal ein bisschen. Und gib mir ein Stück von der Pizza.“
Tyler war mitten in einer ausführlichen Beschreibung der Spiele gewesen, die er schon gespielt hatte, wozu auch eine lückenlose Aufzählung der dabei gewonnenen Gewinnmarken gehörte. Als nun unerwartet ein neuer Zuhörer auftauchte, wandte er sich Austin zu, als hätte er ihn das letzte Mal in der vergangenen Woche und nicht vor drei Jahren gesehen. Ich schüttelte den Kopf und lachte, während ich mein Stück Pizza aufaß. Als Austin und ich uns getrennt hatten, war Tyler nur wenig älter als Arty gewesen, und selbst während wir noch zusammen gewesen waren, hatten die Söhne meines Dads nicht viel Zeit mit uns verbracht. Dennoch fühlten sich die beiden offenbar ebenso sehr wie Arty zu ihm hingezogen. Austin, der als Einzelkind aufgewachsen war, gab einen guten großen Bruder ab.
Ich bereute meine Scheidung nur selten, aber nun, wo ich Austin zusammen mit den Jungs erlebte, hatte ich plötzlich ein schlechtes Gewissen. Er konnte andere Frauen finden, die meine Stelle einnahmen, aber durch die Trennung hatte ich ihm auch den Kontakt mit
Weitere Kostenlose Bücher