Anruf aus Nizza
beiden Koffer. »Dürfen hier nicht gesehen werden«, erklärte er. »Sonst glaubt kein Mensch, Madame sei direkt aus Wasser gezogen.«
Monika leuchtete das ein.
»Vielen Dank«, sagte sie, während sich die Tür hinter Giulio und ihren Koffern schloß.
Sie legte sich wieder auf die schmale Koje, zog sich die Decke bis unter den Hals und lauschte. Sie hörte eine laute Auseinandersetzung, dann hörte sie Schritte, die eine Treppe herab in die Nähe ihrer Kabine kamen, sich aber dann wieder entfernten. Nach einer Weile Schweigens draußen wieder laute Rufe, und dann Stille.
Monika atmete auf. Offenbar hatte alles geklappt. Sie fühlte sich wie gerädert.
Es dauerte noch etwa zehn Minuten, ehe Giulio wiederkam. Er schaltete das Licht ein und sagte lachend: »Alles in bester Ordnung, Madame. Sobald es hell wird, können wir an Land. Dort steht schon ein Auto und wird uns zum Ziel bringen, ein kleines Fischerhaus in Nähe von Cap Ferrato. Dort wird Sensation losgehen, wird Bombe platzen.«
Monika seufzte. »Ich wollte, ich hätte alles schon überstanden. Dürfte ich... könnte ich meine Koffer jetzt wiederhaben, ich möchte mich waschen und umziehen.«
Giulio starrte sie mit offenem Munde an.
»Ihre Koffer, Madame? Aber... Verzeihung vielmals, Koffer sind nicht mehr da.«
Jetzt war es Monika, die Giulio eine Weile sprachlos anstarrte. »Weg? Meine beiden Koffer? Aber, wie soll ich denn... um Gottes willen, wo sind die Koffer denn hingekommen?«
Giulio zeigte mit seinem langen, edlen Zeigefinger nach unten. »Im Meer, Madame. Wir haben Gewicht an Koffer gebunden und plumps, ins Wasser. Sind beide weg.«
Monika fuhr auf. »Aber... aber das ist... Herr Torrini, in einem Koffer war meine Schmuckkassette! Und meine Papiere! Und überhaupt, wie kommen Sie dazu...«
Er hob die Hand, unterbrach sie liebenswürdig, aber bestimmt,
»Madame haben vergessen Situation, bittä. Da wird eine Frau aus dem Wasser gerettet. Schiff ist explodiert. War vormittags elf Uhr etwa. Bittä: wie kommen Madame vormittags elf Uhr auf Schiff mitten im Ozean zu Koffern? Und zu Papieren? Wird doch kein Mensch an Rettung glauben, wenn alles da. Weiß doch jeder Reporter, daß alles ist vorbereitet. No, Madame, muß alles echt sein, sonst bekomme ich auch Ärger, und das wollen Madame doch nicht, oder?«
Monika zögerte.
»Nein, aber... aber ich hätte doch wenigstens meinen wertvollen Schmuck...«
Giulio zuckte bedauernd die Schultern.
»Ist dumm, gewiß«, sagte er mit traurigem Gesicht. »Wenn ich gewußt hätte von Schmuck, ich ihn wenigstens hätte geschenkt dem freundlichen Kapitän.«
Er sprach väterlich beruhigend auf sie ein. »Bittä, Madame, Sie haben gehabt Unglück. Nun viel denken an Unglück, Gedanken laufen hin und her wie kleine Maus in Falle, immer hin und her, und finden nicht großes Loch daneben, wor durchschlüpfen. Überlassen Madame bittä mir alles. Ich werde alles so machen, daß Madame für ewig zufrieden. Aber bittä, mir Vertrauen schenken.«
Monika sah ein, daß er recht hatte. Sie hatte sich in seine Hände begeben und mußte nun auch tun, was er von ihr verlangte. Und je mehr sie darüber nachdachte, desto überzeugter war sie davon, daß er wirklich seinen klaren Kopf behalten und für alles bestens gesorgt hatte.
Sie war müde, als sie im Morgengrauen in das schwankende Boot kletterte. Ein Matrose rudete sie und Giulio ans Land, das hier felsig und steil abfiel. Einige bizarre Felstürme standen wie Wächter davor und ließen die Wassertiefe ahnen. Gerade als ihr Giulio half, vom Boot aus die Felsen zu erreichen, ging hinter ihnen die Sonne auf, spiegelte sich gleißend im Wasser, und ebenso plötzlich faßte Monika wieder neuen Mut, Sie wollte alles, was in den letzten Tagen geschehen war, vergessen und sich nur auf ihr Ziel konzentrieren: wieder mit Robert und den Kindern vereint zu sein, wieder in Ried leben zu dürfen.
Sie kletterten die steilen Felsen hinauf und erreichten nach einer halben Stunde die relativ gute Straße, die von Alghero nach Villanova führt. Dort stand ein Fiat, dessen Baujahr nicht weit hinter dem Ende des ersten Weltkrieges lag.
Ein Fahrer saß schlafend hinter dem Steuer, die erloschene Zigarette zwischen den Lippen. Giulio weckte ihn, und kurze Zeit später setzte sich das Gefährt in Richtung Villanova in Bewegung.
Monika dachte wieder an ihre beiden Koffer und an das Armband, ihr Lieblingsarmband, das Robert ihr zur Hochzeit geschenkt hatte. Einfache, schmale
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