Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anruf aus Nizza

Anruf aus Nizza

Titel: Anruf aus Nizza Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
Vom Netzwerk:
damit abfinden. Du hast deine Aufgabe im Leben, kranke Menschen brauchen dich. Sie brauchen dich ungeteilt. Sie brauchen dich nötiger, als dich die Tote braucht.«
    »So, meinst du? Diese Kranken haben soviel von mir gehabt, daß mir keine Zeit mehr für mich und Monika geblieben ist. Und jetzt die Kinder. Andere Väter machen abends Schulaufgaben mit ihnen, und ich? Was weiß ich von meinen eigenen Kindern? Übrigens... setz dich mal wieder, Mama, ich muß da etwas mit dir besprechen.«
    Sie setzten sich und Robert fuhr fort:
    »Ich habe mir überlegt, was du gesagt hast. Ich meine wegen der Kinder. Natürlich kannst du das nicht allein, und Therese ist auch nicht ganz das Richtige. Aber andererseits kann ich auch keine meiner Pflegerinnen entbehren. Ich wollte dir aber einen anderen Vorschlag machen. Ich wüßte nämlich jemanden, der sich um die Kinder kümmern könnte. Ein junges Mädchen, das gerade als Patientin in meiner Klinik liegt.«
    »Eine Kranke?«
    »Ja und nein. Sie ist nicht körperlich krank. Sie erwartet ein Baby, ihr Verlobter hat sie im Stich gelassen, ist nach Afrika getürmt. Das arme Mädel hat versucht, sich umzubringen. Man muß ihr helfen.«
    Wieder zog Madeleine Berckheim die Augenbrauen hoch.
    »Hältst du dieses Mädchen für geeignet? Eine Selbstmörderin? Und noch dazu eine, die ein Kind bekommt und nicht verheiratet ist?«
    »So was kann passieren. Sie wird doppelt dankbar sein und...«
    »Zu meiner Zeit hat man vorher geheiratet, Robert, und nicht hinterher. Ein Mensch, der keine Selbstbeherrschung hat, kann auch deine Kinder nicht erziehen.«
    Robert lächelte ein wenig. »Mama, vielleicht wird ihr Sohn ein zweiter Leonardo da Vinci. Er ist auch unehelich geboren.«
    »Wie alt ist sie?«
    »Vierundzwanzig.«
    »Mit vierundzwanzig sollte man klüger sein. Und sie nimmt es sich so zu Herzen, daß sie sich umbringen wollte?«
    »Ja. Sie hat Schlaftabletten genommen. Wir konnten sie gerade noch retten. Sie hat mir viel von sich erzählt. Sie ist eines jener Geschöpfe, die das Leben immer wieder unbarmherzig aus jedem Nest hinauswirft. Sie sucht nichts als Zuflucht und Ruhe, um ihr Kind auf die Welt zu bringen. Ich dachte, Ried sei groß genug dafür. Außerdem merkt man es ihr jetzt noch nicht an, es würde also zunächst kein Gerede geben.«
    »Hast du es ihr denn schon angeboten?«
    »Ja.«
    »Also wozu fragst du mich denn dann noch?«
    »Weil ich nie etwas tue, ohne dich zu fragen, Mama.« Er unterbrach sich. Draußen hörte man die Kinder rufen. »Sie kommen. Therese soll sie gleich zu Bett bringen.«
    »Und dann sprichst du mit ihnen?«
    »Ja, ich will es versuchen.«
    Sie kamen hereingestürmt, mit leuchtenden Augen und roten Backen.
    »Vati!« schrie Martin. »Der Bär hat einen Ring in der Nase wie unser Stier!«
    Dominique, mit ihren sechs Jahren schon ein kleines Persönchen mit eigenen Ansichten, gab ihrem Vater einen Kuß und sagte dann: »Eigentlich sind diese kleinen Zirkusse doch nichts. Ich hab’ da im Fernsehen mal einen gesehen, das war was ganz anderes. Müssen wir gleich ins Bett?«
    »Ja, es ist spät genug.«
    »Ich hab’ aber noch so Hunger!« brüllte Martin, dessen letzte Ausflucht vor dem Schlafengehen immer der Hunger war.
    »Gut«, sagte Robert und zwinkerte Therese zu, die an der Tür stehengeblieben war. »Also gut, Therese wird dich vor dem Hungertod bewahren, und dann marsch ins Bett.«
    Eine halbe Stunde später kam Therese wieder. Sie hatte es von jeher abgelehnt, sich der hochdeutschen Sprache zu bedienen.
    »Im Bett san’s«, sagte sie. Es gehörte auch zu ihrer Eigenart, niemals ein Wort mehr als notwendig zu sagen.
    Robert stand auf.
    »Gut, dann komme ich.« In der Tür blieb er vor Therese stehen. »Therese, die Kinder wissen noch nichts?«
    »Nichts.«
    »Hielten Sie es für richtig, wenn ich es ihnen jetzt sagte?«
    »I tat’s net.«
    »Gut«, sagte er und nahm Therese am Arm. »Kommen Sie mal mit, ich habe Ihnen etwas zu erklären.«
    In der Küche, altmodisch und riesengroß, begann Robert: »Ich schicke euch ein junges Mädchen heraus. Es heißt Irene. Sie erwartet selber ein Kind, ist todunglücklich, weil sie der Lump hat sitzenlassen. Sie soll zugleich ein wenig auf die Kinder aufpassen, meiner Mutter wird das zuviel.«
    »Und?« fragfe Therese. Sonst nichts. Aber diese Frage zwang Robert zu einer weiteren Erklärung.
    »Ich wollte es Ihnen nur sagen, Therese. Seien Sie nett zu dem Mädchen.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Dös

Weitere Kostenlose Bücher