Anruf aus Nizza
werd’ si aufweisen, Herr Doktor. Wann’s zu die Kinder guat is, nacha hat’s es bei mir auch guat. Wann kimmt’s denn?«
»Morgen.«
»Is recht, Herr Doktor.«
Damit war das Gespräch beendet, und Robert stieg hinauf ins Kinderzimmer. Die beiden Betten waren leer. Nach längerem Suchen entdeckte Robert die »Firma D. & M.«, wie Robert früher Dominique und Martin oft genannt hatte, im Kleiderschrank. Er schickte beide ins Bett, setzte sich zu Dominique und sagte:
»So, und jetzt muß ich euch was sehr Wichtiges sagen.«
»Weiß schon!« rief Dominique und hopste im Bett auf und ab. »Ich weiß schon!«
»Was weißt du?« fragte Robert verdutzt.
»Daß die Miezi viele kleine Babys bekommt. Und die Theres hat gesagt, wir dürfen sie jetzt nicht mehr im Puppenwagen spazierenfahren.«
»Un nich mehr am Swans ziehen«, krähte Martin.
Robert lächelte.
»Ja, das auch. Aber ich wollte euch was anderes sagen. Ich hab einen langen Brief von Mutti bekommen. Sie schreibt, daß das Wetter so schön ist, daß sie noch nicht heimkommen will. Sie hofft, daß ihr beide es ihr erlaubt, daß sie noch länger mit dem schönen Schiff fährt. Ihr erlaubt es ihr doch, oder?«
»Klar«, sagte Dominique. »Soll sie fahren, solange sie Lust hat. Theres hat gesagt, sie hat sich einen langen Urlaub verdient.«
»Ganz richtig«, sagte Robert erleichtert. »Da hat die Theres ganz recht. Aber nun paßt mal auf. So ganz ohne Aufsicht geht das mit euch Rangen ja nicht. Deshalb kommt morgen ein sehr nettes, junges Mädchen hierher nach Ried. Sie wird ein wenig auf euch aufpassen.«
»Schielt sie?« fragte Dominique.
»Nein, sie schielt nicht. Sie ist sehr nett und sie heißt Irene.«
Martin begann ein schreckliches Geheule, anschwellend und absteigend.
»Nein«, lachte Robert. »Nicht Sirene. I r e n e. Ich bringe sie gegen Mittag heraus. Und jetzt wird endlich gebetet.«
Dominique faltete die kleinen Hände, sprach ihr Gebet und sagte im gleichen Atemzug:
»Es wäre aber besser, sie würde schielen.«
»Warum, zum Teufel, soll sie das?«
»Zum Teufel darf man nicht sagen, sagt die Theres, und sie soll schielen, weil die Theres immer sagt, man muß schielen, wenn man auf uns gleichzeitig aufpassen soll. Vielleicht findest du eine, die schielt?«
Robert lachte.
»Ich glaube kaum. Irene jedenfalls schielt nicht. Und sie wird trotzdem mit euch fertig werden. Jetzt wird aber endgültig geschlafen.« Nachdenklich stieg Robert die Treppe hinunter. Therese. Jedes zweite Wort der Kinder war Therese. Es wurde Zeit, daß etwas in Ried geschah.
Er hatte das undeutliche Gefühl, daß es für die Kinder schrecklicher sein würde, wenn nicht Monika, sondern Therese nicht mehr da wäre.
*
Eine Weinkneipe außerhalb Cagliari.
Blaue und rote Glühlampen schaukelten an einem Draht über den Tischen. Der Wirt lehnte müde an der Tür und schaute mißbilligend zu den beiden Männern herüber, die offenbar noch nicht gehen wollten.
Giulio winkte ihm zu.
»Noch einen Roten, Salvatore.«
Widerwillig brachte der Wirt den grauen Krug, dann verschwand er murrend im Haus und löschte die Hälfte der Lichter aus.
Der Mann, der Giulio gegenüber saß, war klein und rundlich. In seinen intelligenten, beweglichen kleinen Augen glomm ein verräterischer Schimmer von Ehrgeiz. Tino Moreno arbeitete als Gelegenheitsreporter, immer von der großen Chance träumend, die ihn einmal reich machen würde.
»Also noch mal«, sagte Giulio und goß sein Glas voll. »Ich selber darf mit der ganzen Sache nichts, absolut nichts zu tun haben. Der Fischer Thomaso ist heute abend zu dir gekommen und hat dir die unglaubliche Geschichte erzählt. Am Sonntag hat er angeblich eine Frau bewußtlos aus dem Wasser gezogen. Erst am Montag kam sie zu sich. Aber sie konnte noch nicht sprechen. Thomaso hat übrigens weder elektrischen Strom, noch Kofferradio. Daher hat er auch vom Untergang der YPSILON nichts gewußt. Klar?«
»Völlig klar. Ich bin ja kein Idiot.«
»Deshalb beteilige ich dich ja auch. Ich habe natürlich mit ihr genau den gleichen Text abgesprochen. Sie ist halb verrückt vor Angst und tut alles, was ich ihr eingebleut habe. Nun weiter: du fährst also gleich morgen früh hin, sprichst mit ihr — sie kann nämlich inzwischen wieder sprechen — , aber sie erinnert sich noch an nichts. Deine psychologisch geschickten Fragen bringen ihr dann allmählich die Erinnerung zurück: sie ist Monika Berckheim und sie war als Krögers Gast auf der YPSILON.
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