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Anruf aus Nizza

Anruf aus Nizza

Titel: Anruf aus Nizza Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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übers Wochenende da, aber ungenießbar. Hat das Strafmandat wegen zu schnellen Fahrens entdeckt und einen langen Vortrag gehalten.«
    »Mama fort, Kinder mit Therese auch fort, himmlische Ruhe im Haus. Abends: die Ruhe geht mir auf die Nerven.
    Bin zu Carstens gefahren, Lotte meint auch, ich solle mal mit Robert reden, so geht’s nicht weiter, schließlich ist das keine Ehe mehr. Die haben gut reden!«
    »Robert war da. Genau vier Stunden. Anruf Klinik, Robert weg. Diese Mathilde soll die Pest kriegen, sie weiß genau, daß Robert tanzt, wie sie pfeift, und sie mag mich nicht.«
    An dieser Stelle hörte das Tagebuch auf, und Irene klappte es langsam zu. Es war ihr, als kenne sie Monika Berckheim nun schon ganz gut. Und beinahe widerwillig empfand sie etwas wie Sympathie für diese Frau. Natürlich, genauso waren die Männer, es gab immer nur zwei Sorten: entweder den verliebten, oder sogar den wirklich liebenden, der nichts war und nichts hatte, siehe Paul Clarisch — oder den wirklichen Mann, den Erfolgreichen, und der ging mit einem um, wie mit einem selbstverständlichen Besitz. Es war zum...
    Sie stand auf, schaute in den großen Einbauschrank, ließ ihre Hand über Kleider und Kostüme gleiten. Geld, viel Geld war in diesem Haus, es wurde gekauft, was Freude machte, und diese Frau schaute bestimmt niemals nach dem Preis.
    Die Bücher! Was las sie denn eigentlich?
    Ein Sammelsurium, ohne jegliche Richtung. Kriminalromane in billiger Ausgabe, daneben Faulkner, »Die Wendemarke«. Und da...
    Sie hielt das Fotoalbum in der Hand, schlug es auf, und da war es wieder, dieses Gesicht, das sie kannte.
    Woher?
    Sie blätterte.
    Eine hübsche Frau. Ehrlich gesagt, sogar eine schöne Frau. Woher kam ihr das Gesicht so bekannt vor? Eine Kundin?
    Irene untersuchte nochmals den Kleiderschrank, fand zwei Modellkleider aus dem Atelier, für das sie oft gearbeitet hatte, und da glaubte sie zu wissen, woher sie Monika Berckheim kannte.
    Sie blätterte in dem Album weiter. Die alte Dame mit Fotografiergesicht. Gäste vor dem Haus, ganze Scharen.
    Gäste unten am Bootshaus, Gäste auf dem Segelboot. Und niemals ihr Mann. Natürlich, wenn der nie zu Hause war, konnte sie ihn nicht fotografieren.
    Und da waren zwei Seiten von den Kindern, im vorigen Jahr.
    Auch die Kinder waren wichtig für Irene, sie hatten ihren bestimmten Wert in dieser Rechnung. Dominique, diese kleine selbständige Person, war zu gewinnen, war eigentlich schon gewonnen. Man konnte ihr imponieren wie allen impulsiven Menschen. Sie war mit ihren sechs Jahren schon ein Mädchen, das wußte, was es wollte, ein kleines Weibchen, das Martin zu irgendeinem Streich anstiftete und ihn dann die Folgen ausbaden ließ. Irene mochte sie gern.
    Martin war ganz anders. Ein wenig schwerfällig, überraschend in seinen Bemerkungen, skurril und etwas altklug, dann wieder mehr als kindlich. Aber er ließ sich nicht bestechen. Er hing an seiner Mutter, dachte nicht daran, Irene als Ersatz zu akzeptieren. Er hatte eine Art, Irene zu beobachten, daß sie ihre Sicherheit unter diesem Blick verlor. Sie mußte sich beherrschen, um ihn ihre Vorliebe für Dominique nicht merken zu lassen, und vermutlich gelang ihr das nicht immer.
    Die Bilder hörten auf, es folgten nur noch leere Seiten. Aber da lag noch ein zweites Album.
    Alte Bilder. Monika mit einem Schulranzen und einer großen Tüte. Daneben vermutlich Monikas Eltern. Dann... ja, das mußte Robert als Student gewesen sein. Sehr solide, sehr würdig. Kein Student, der Streiche macht.
    Und da war...
    Ihre Augen wurden groß, hingen wie gebannt an diesem Photo.
    Das war der Mann mit dem wundervollen Auto, der Mann, der sie in die Klinik gebracht hatte, der Mann, der dreihundert Mark in der Klinik für sie hinterlegt hatte, und der Mann, der sich dann nie mehr hatte blicken lassen.
    Sie lief mit dem Album hinüber in den anderen Flügel, in Madelaine Berckheims Zimmer, wo sie heute morgen ein Vergrößerungsglas hatte liegen sehen, und betrachtete das Foto nochmals. Kein Zweifel, es war dieser rätselhafte Mann.
    Und dann nahm sie auch alle Fotos von Monika unter die Lupe. Sie wußte jetzt, woher sie dieses Gesicht kannte, wo sie es schon einmal gesehen hatte.
    Nachdenklich kehrte sie in Monikas Zimmer zurück. Vorsichtig nahm sie das Männerbild aus den Klebeecken und las auf der Rückseite:
    »So würde dein Mann jetzt aussehen, wenn du vor drei Jahren mich und nicht Robert geheiratet hättest! Viele Grüße! Wolfgang Rothe.«
    Das

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