Anruf aus Nizza
Mensch kümmert sich darum. Ich möchte die Zimmer ein wenig feierlich machen, Frau Berckheim wird sich bestimmt freuen, wenn zu ihrem Empfang in allen Zimmern die Vasen gefüllt sind.«
»Lieb von Ihnen, Kindchen.« Seit zwei Tagen sagte sie zu Irene »Kindchen«, ein ganz außerordentliches Zugeständnis.
Sie ließ den Motor an, und als Irene »Viel Vergnügen«, wünschte, stellte sie ihn wieder ab. »Ach was, Vergnügen! Es ist eine Qual mit dieser alten Eule. Aber man hat eben seine Verpflichtungen.« In Wirklichkeit war sie heilfroh, endlich mal wieder irgendwohin fahren zu können, um von dem zu erzählen, was sich in Ried ereignet hatte. Zugegeben hätte sie dieses Mitteilungsbedürfnis allerdings nie.
»Übrigens«, begann Irene, als habe sie sich eben den Mut zu einer unerhörten Sache genommen. »Übrigens, gnädige Frau, ich möchte... ich habe noch eine große Bitte.«
Huldvolles Kopfnicken. »Was denn? Kann ich irgend etwas für Sie tun?«
»Ich habe Angst«, begann Irene stockend. »Schreckliche Angst. Der Herr Doktor hat mich doch unter ganz anderen Voraussetzungen hierher geholt, er hat mich engagiert, weil er dachte... und für die Kinder... und ich bin so schrecklich gern hier, ich mag die Kinder furchtbar gern, sie sind mir in den paar Tagen schon richtig ans Herz gewachsen, und ich dachte, wenn nun Frau Berckheim zurückkommt, ich meine, vielleicht ist es ihr dann nicht recht, wenn ich hier bin? Ist es sehr unbescheiden von mir, wenn ich Sie bitte, gnädige Frau, ein gutes Wort für mich bei ihr einzulegen, falls sie möchte, daß ich wieder verschwinde? Natürlich kennen Sie mich ja auch noch nicht, aber...«
»Papperlapapp! Ich brauche nicht lange, um einen Menschen kennenzulernen. Machen Sie sich da mal keine Sorgen, Kindchen, meine Schwiegertochter kann froh sein, daß Sie da sind. Und wenn sie das nicht selber merkt, werde ich es ihr beibringen. Auf Wiedersehen! Ich werde zum Tee spätestens zurück sein.« Sie wollte anfahren, rief dann aber noch; »Und die Kinder sollen nach dem Mittagessen schlafen, dann dürfen sie heute abend länger aufbleiben!«
»Selbstverständlich, gnädige Frau.«
Irene schaute dem Wagen nach und als sie sah, wie die alte Dame um die Kurve zur Hauptstraße fuhr, wunderte sie sich, daß der Wagen so wenig Beulen hatte.
Sie trug die Blumen in die Küche, stellte sie ins Wasser, und dann stieg sie hinauf in Monikas Zimmer.
Man kann mit einem Menschen monatelang zusammenleben, ohne etwas von ihm oder über ihn zu erfahren. Aber wenn man Zeit hat, unbeobachtet sein Zimmer zu untersuchen, dann kennt man ihn hinterher recht gut. So wenigstens dachte Irene und machte sich an die Arbeit.
Mit dem trauernden Witwer, der allein mit seinem Schmerz und zwei Kindern dasaß und sich nach einer zarten, liebenden Frauenhand sehnte, war es vorbei. Trotzdem sah Irene noch eine Chance für sich, gering im Vergleich mit vorher, aber immer noch eine Chance, hier untergekommen zu sein, in einem durchaus nicht ärmlichen Nest. Mit dem hübschen Biedermeiersekretär fing sie an. Der Schlüssel steckte, Monika wäre niemals auf den Gedanken gekommen, irgend etwas abzuschließen.
Da lag eine Briefmappe aus rotem Saffianleder, sehr kostbares Briefpapier mit Stahlstichmonogramm »MB«, da war eine Rechnung über ein Kostüm, dessen Preis dem bekannten Modeatelier entsprach. Und da war eine Einladung:
»Liebe verehrte Frau Berckheim,
ich beabsichtige, im Mai eine Kreuzfahrt in der Adria mit meiner Jacht YPSILON und würde mich freuen, Sie und Ihren Herrn Gemahl als Gäste mitnehmen zu dürfen. Bitte geben Sie mir bald Bescheid. Bis dahin bin ich mit herzlichen Grüßen Ihr K r ö g e r.«
Irene suchte weiter. Sie fand noch eine Juwelierrechnung über die Änderung eines Ohrgehänges und schloß daraus, daß Monika ihre Geldsachen selbst erledigte. Sie brauchte ihren Mann vermutlich nicht um jede Mark zu bitten.
Die Bestätigung fand sie gleich darauf, als sie den schmalen Ordner mit den Bankauszügen entdeckte. Etwa zwölftausend Mark hatte sie auf ihrem Konto!
Sehr ordentlich schien sie nicht zu sein, denn Briefe, Rechnungen und sonstiger Papierkram lagen durcheinander.
Ein Notizbuch, als Tagebuch angefangen, und dann schon Anfang Februar wieder abgebrochen.
Irene blätterte und las die spärlichen Aufzeichnungen.
»Robert sagt schon wieder ab, im letzten Augenblick!!! Peinlich!«
»Party, nichts besonderes. Martin beim Zahnarzt, hat fürchterlich gebrüllt.«
»Robert
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