Anruf aus Nizza
bin. Und da habe ich die Frau Doktor sozusagen beraten über die Strecke, und das sind nach Nizza runde tausend Kilometer, nicht ganz, aber rund gerechnet. Gut, soll sie sozusagen in Nizza ein paar Tage rumgefahren sein, vielleicht mal nach Monte oder sonstwohin, aber dann war sie doch auf dem Schiff, und als sie gerettet worden ist, ist doch der Herr Doktor hingeflogen und sie sind mit der Bahn zurückgekommen, und jetzt bringt dieser Herr das Auto, und da sind zweitausend zuviel drauf.« Er zog ein schwarzes Wachstuchheft aus der Tasche und fuhr fort: »Da, sehen Sie, Fräulein, da ist sie weggefahren, und jetzt steht der Kilometerzähler auf... 44 478. Das sind zweitausend zuviel.«
Irene hätte am liebsten laut gejubelt. Da war der letzte Beweis. »Und?« fragte sie gespannt. »Wie erklären Sie sich das?«
Der Gärtner runzelte die Stirn.
»Dieser Makkaroni«, sagte er. »Er hat sich gedacht, sozusagen daß unsere Frau Doktor ertrunken ist und daß niemand weiß, was mit ihrem Wagen los ist, und da ist er inzwischen feste damit gefahren.«
Er schaute Irene triumphierend an. Sie nickte.
»Wahrscheinlich haben Sie recht«, sagte sie. »Ich werde es Frau Berckheim sagen.«
»Ein Lump ist er«, stellte der Gärtner sachlich fest. »Sagen Sie ihr das nur, Fräulein.«
Irene lachte. »Worauf Sie sich verlassen können. Heben Sie das Heftchen nur gut auf.«
Während sich dies im Treibhaus ereignete, saßen Monika, Robert und Giulio in der Bibliothek.
»Wie lange haben Sie in München zu tun?« fragte Robert.
»Zwei Tage, vielleicht, Herr Doktor. Kann sein auch drei oder vier, bei Geschäft man weiß nicht immer genau.«
»Haben Sie schon ein Hotel, oder wollen Sie solange unser Gast sein?«
Giulio hob abwehrend die Hände.
»Nein, tausend Dank, Herr Doktor. Ich habe Zimmer in Hotel.«
Robert stand auf. Er war diesem Menschen wirklich zu Dank verpflichtet, wie er glaubte.
»Bitte, Herr Torrini, dann bleiben Sie wenigstens bis morgen unser Gast. Morgen früh, wenn ich in die Klinik fahre, nehme ich Sie dann mit. Einverstanden?«
Höflich fragte Giulio Monika: »Madame, ich nicht stören?«
»Selbstverständlich bin ich einverstanden, ich freue mich sogar, wenn Sie noch hierbleiben.«
Als Robert für kurze Zeit die Bibliothek verließ, fragte Monika hastig:
»Hat Ihnen Brigitte den Scheck gegeben, ist alles in Ordnung?«
»Allerbesten Dank. Habe ich Scheck gleich an Leute weitergegeben, Leute schweigen wie Grab. Alles in bester Ordnung. Ist peinlich, daß ich nicht selber...«
»Aber bitte, ich bin Ihnen ja so dankbar.«
*
Spät nachts, als Robert und Monika zu Bett gingen, sagte Robert lachend:
»Diese Italiener! Sie haben uns irgend etwas voraus, was wir nie lernen werden. Hast du gesehen, wie entzückt Mama von ihm ist?«
»Ja. Kunststück, er spricht ja perfekt französisch!«
Monika hatte viel getrunken. Sie ertappte sich seit einiger Zeit dabei, daß ihr der Alkohol Erleichterung brachte, das Leben war dann, nach ein paar Gläschen, nicht mehr so verwirrend schwer, und es log sich leichter, wenn man nicht mehr ganz nüchtern war.
»Aber du«, sagte Robert, »du warst auch recht vergnügt. Ich bin froh, Moni, ich bin so froh, daß du wieder lachen kannst.«
Sie legte ihre Arme um seinen Hals. »Ich auch, Robert«, sagte sie.
Erst der nächste Morgen brachte ihr wieder die eiskalte Dusche, das Entsetzen vor sich selbst und vor dem Lügengewebe, in dem sie sich verstrickt hatte.
Es war Irene, die Monikas Lieblingstraum von ihrer Sicherheit, diese schillernde Seifenblase, durch einen wohldurchdachten Stich zum Zerplatzen brachte.
»Halten Sie viel von diesem Herrn Torrini?« fragte Irene harmlos.
»Oh ja, er hat mir sehr geholfen.«
»Ich glaube, Frau Berckheim, er hat Sie auch ganz schön ausgenützt.«
»Wieso?« fragte Monika spröde. »Woraus glauben Sie das schließen zu müssen?«
Irene berichtete von der Entdeckung des Gärtners und schloß:
»Er meint, und nach dem, was ich von Ihnen gehört habe, gibt es doch wohl keine andere Erklärung, als daß Herr Torrini mit Ihrem Wagen mindestens zweitausend Kilometer gefahren ist, zweitausend mehr, als die Strecke von Nizza hierher.«
Monika war verwirrt, sie brauchte Zeit, um damit fertig zu werden, eine Erklärung zu finden für die verfahrenen Kilometer. Endlich sagte sie:
»Ich habe, als ich abfuhr, Herrn Torrini meinen Wagen zur Verfügung gestellt. Er konnte damit fahren, soviel er wollte.«
Lauernd fragte Irene: »Als Sie
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