Anruf aus Nizza
schweigsam vor sich hin starrte.
Irene arrangierte geschickt, daß sie öfters als nötig neben Robert saß, und nun hatte er plötzlich jemanden, mit dem er über die Dinge sprechen konnte, die ihn bewegten. Erlebnisse aus der Klinik, allgemeine, menschliche Probleme. Ganz unmerklich fing er an, über gewisse Dinge nur noch mit Irene zu sprechen, und diese wiederum brachte es hervorragend fertig, gerade den Inhalt solcher Gespräche am nächsten Tag Monika unter die Nase zu reiben.
So konnte es nicht ausbleiben, daß sich Monikas Verzweiflung, eigentlich noch mehr ihre Hilf- und Ratlosigkeit, in Haß gegen Irene verwandelte. In ihrer Gegenwart erblickte Monika bald den einzigen Grund für alle Schwierigkeiten, die täglich unvermutet auftauchten. Je mehr Zeit aber verstrich, desto fester wurde Irenes Position in Ried.
Ende Juni kam es zur ersten ernsthaften Explosion zwischen Irene und Monika, zu einer ersten Machtprobe.
Der Nachmittag war heiß, Gewittertürme standen über dem See.
Monika sagte nach dem Essen: »Ich fahre heute nachmittag mit den Kindern nach Herrsching zum Einkäufen.«
Vielleicht war die drückende Schwüle daran schuld, daß auch Irene heute gereizter war als sonst, daß sie ihre Selbstbeherrschung verlor. Jedenfalls fuhr sie Monika an:
»Kommt nicht in Frage! Ich habe Dominique und Martin versprochen, daß wir heute nachmittag segeln.«
Monika war eine Sekunde sprachlos. Dann fuhr auch sie auf Irene los.
»Was erlauben Sie sich denn? Schließlich sind das immer noch meine Kinder, und schließlich bestimme hier im Haus ich, was getan wird und was nicht.«
Irene blieb stur.
»Aber ich habe es den Kindern versprochen, und ich habe das fiel ihr in diesem Augenblick ein, »- und ich habe auch die Nachbarkinder zum Segeln eingeladen. Sagen Sie mir bitte in Zukunft rechtzeitig, was Sie beabsichtigen.«
Kalkweiß im Gesicht machte Monika kehrt. Wenige Minuten später hörte Irene Monikas Wagen davonfahren. Sie hatte diese erste Schlacht gewonnen.
Monika fuhr in die Stadt und tat, was sie sich geschworen hatte, niemals wieder zu tun: sie rief Wolfgang Rothe an.
Er war überrascht, erfreut und zugleich in Sorge.
»Moni, wozu das alles durchs Telefon? Komm doch zu mir, wir können hier doch in Ruhe sprechen.«
»Nein! Auf keinen Fall. Hast du Zeit, können wir sprechen?«
»Ja, natürlich. Was ist denn passiert?«
»Noch nichts. Oder doch. Ich möchte dieses Mädchen loswerden. Ich frage mich jeden Tag dreimal, ob sie was weiß oder nicht. Wenn sie was wüßte, dann müßte ich das doch inzwischen irgendwie gemerkt haben. Und wenn sie nichts weiß, dann begreife ich ihre beispiellose Frechheit nicht. Wolf, was soll ich denn nur tun?«
»Zu mir kommen.«
»Ach Wolf, ich dachte, du würdest mir helfen.«
»Kennst du einen gewissen Tino Moreno?«
»Um Gottes willen, ja, woher weißt du von ihm? Hat er...«
»Erpreßt er dich etwa?«
»Nein. Er hat ja Geld von mir bekommen. Warum... war er denn bei dir?«
»Ja, er war. Aber er ist schon wieder fort, es war nicht sehr wichtig. Aber nun hör mal, sei doch lieb und komm zu mir. Vielleicht gäbe es wirklich eine Menge zu besprechen, vielleicht könnten wir doch ein paar Probleme zusammen aus der Welt schaffen.«
»Schade«, meinte sie. »Ich wollte wirklich nur deine Stimme hören, ich wollte nur ein bißchen von dir getröstet werden, verstehst du?«
Sie hängte ein und fuhr zu Robert in die Klinik.
»Ich habe ein paar Besorgungen gemacht«, sagte sie ihm. »Hast du noch lange zu tun?«
»Eigentlich schon. Aber wenn du willst, könnte ich ja...«
Sie hob abwehrend die Hand. Natürlich wollte sie mit ihm zusammensein. Aber jetzt, wo er vor ihr stand, war er so weit weg von ihr. »Laß nur«, sagte sie müde, »ich muß rechtzeitig draußen sein.«
Er runzelte die Stirn. »Gäste? Heute schon wieder?«
»Nein, das nicht. Ich versprach den Kindern, nicht so spät zu kommen.«
Er lachte.
»Ach so, na, da können wir ja anrufen. Bei Irene sind sie doch in besten Händen. Manchmal sieht’s fast so aus, als ob diese Rangen mehr an ihr hingen als an uns.«
Das war zuviel. Wütend schrie sie ihn an:
»Das ist es ja! Genau das! Merkst du es jetzt endlich auch schon? Diese scheinheilige Person tut alles, um uns die Kinder zu entfremden, sie ist...«
Er packte sie am Arm.
»Nun sei aber still, bitte. Erstens braucht das nicht die ganze Klinik zu hören, und zweitens bildest du dir das nur ein. Dieses Mädchen gibt sich die größte
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