Anruf aus Nizza
ausdrücken. Und trotzdem bin ich nur ein armes Würstchen. Nehmen Sie es mir wirklich übel, wenn ich den ersten und einzigen wirklich großen Fisch teuer verkaufen will, der endlich mal an meiner Angel hängt?«
»Man könnte Sie beinahe bemitleiden.«
Tino hob abwehrend die Hände.
»Bitte, kein Mitleid. Nur ein Geschäft. Sie sind doch ein wenig Fachmann. Was, glauben Sie, würden mir die Illustrierten für die wahre Berckheim-Story zahlen? Nennen Sie mal ruhig die Summe!«
»Ich... ich weiß nicht«, murmelte Wolfgang.
»Natürlich wissen Sie es. Dreimal soviel. Infolgedessen bin ich doch ein anständiger Kerl, oder? Wovon lebt denn ein Reporter? Davon, daß er etwas weiß, was andere nicht wissen, und das verkauft er. Ich weiß was. Gut. Und was tu ich? Ich biete es Ihnen weit unter dem Preis an. Wie wär’s mit zehntausend sofort, und dann zweimal je fünftausend?«
Wolfgang stand auf und trat an die halboffene Tür zur Terrasse. Zwanzigtausend Mark waren auch für ihn viel Geld.
Er wandte sich um. »Herr Moreno! Zehntausend sofort. Und sonst keine Mark mehr. Es ist genau die Grenze. In dem Augenblick, wo ich Sie noch mal bei mir sehe, oder wenn ich erfahre, daß Sie sich an Frau Berckheim direkt wenden, haben Sie die Polizei am Hals. Und damit Sie sehen, daß es mir damit ernst ist: Ich liebe Monika Berckheim, und so glücklich ist ihre Ehe gar nicht. Und wenn diese Ehe wegen der verfluchten YPSILON platzt, dann ist mir das auch recht, denn dann wird Frau Berckheim eben zu mir kommen. Sie sehen, was es mir wert ist, ein anständiger Mensch zu sein: genau zehntausend Mark, keinen Pfennig mehr. Haben wir uns verstanden?«
Tino stand auf. Er seufzte. »Wie schön würde das Leben sein, wenn man mit allen Menschen so rasch und klar verhandeln könnte. Bekomme ich einen Barscheck?«
Eine Stunde später löste Giulio den Scheck bei Wolfgangs Bank ein. Er gab Tino vier Geldbündel in die Hand.
»Viertausend für dich, wie vereinbart. Zähl nach, Tino. Und dann nimmst du den Nachtschnellzug nach Rom. Ich brauche dich hier nicht mehr.«
*
Irene glaubte Zeit zu haben. Sie hatte sich bei Roberts Mutter beinahe unentbehrlich gemacht. Der Gärtner war ihr ergeben und selbst Herr Bömmer, der schweigsame Verwalter, war nicht mehr so ablehnend gegen sie. Die Kinder hingen an ihr, daß Monika manchmal geradezu eifersüchtig wurde. Nur mit Therese kam sie nicht zurecht, und diese zeigte es ihr, wo immer sie konnte.
Dann, etwa nach vierzehn Tagen, war sich Irene über ihr weiteres Vorgehen klargeworden. Das war an einem Abend geschehen, als Robert aus der Klinik zum Essen heimkam, was er nun öfters tat. Bei Tisch nämlich erzählte er von einer Patientin, deren Ehe so zerrüttet war, daß sie davon richtig krank wurde.
»Kaum eine Ehe geht an einer großen Wunde kaputt«, sagte er. »Die großen, schweren Wunden kann man heilen, zunähen, sie vernarben, und eines Tages sind sie vergessen. Aber jeden Tag ein paar Nadelstiche, das bringt einen Menschen um den Verstand, treibt ihn zu Verzweiflung und Selbstmord.«
Genau das war es, was Irene nun für richtig hielt. Unentwegte kleine Nadelstiche sollten Monika zermürben. Möglichkeiten gab es genug.
Das fing morgens mit den Kindern an, über deren Kleidung Monika und Irene verschiedener Meinung waren. Oder es ging ums Baden im See, und wenn Monika das Wasser zu kalt fand, erklärte Irene, gerade kaltes Wasser härte ab und sei viel gesünder.
Natürlich wußte sie es meistens so einzurichten, daß diese kleinen Sticheleien in Gegenwart der alten Frau Berckheim entstanden, und fast immer gab die alte Dame ihr Recht.
Was Monika anfangs mit einiger Gelassenheit hingenommen hatte, begann sie allmählich zu ärgern. Überzeugt, daß Irene wirklich von Sardinien, oder gar von Wolfgang Rothe keine Ahnung habe, ließ es Monika immer öfter auf einen Wortwechsel ankommen, und manchmal wurde sie dabei recht scharf.
Das wiederum war für Irene das sicherste Zeichen, daß sie Monika im Laufe der Zeit dorthin manövrieren konnte, wohin sie sie haben wollte.
Dazu kamen wieder die alten Parties, die Robert nicht leiden konnte. Neugier und Klatsch hatten die Besucher nach Ried gebracht, und Monika wollte es mit niemandem verderben.
Trotzdem blieb Robert nur noch selten in der Klinik über Nacht. Aber mit den Gästen seiner Frau konnte er nicht viel anfangen, ihre Gespräche interessierten ihn nicht, und niemand kümmerte sich besonders um den Mann, der meistens
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