Anruf aus Nizza
dunkel.
»Sie sind ein genialer Lump, Giulio.«
»Ich weiß, das ist meine Stärke. Wollen Sie bei mir in die Lehre gehen? Wenn Sie mich dann zur Hochzeit einladen, bekommen Sie von mir Ihren Meisterbrief.«
Irene stand auf.
»Einverstanden, Giulio.«
Er maß sie mit einem seiner unverschämten Blicke. »Man sieht noch nichts«, sagte er. »Stimmt es überhaupt oder ist das auch nur ein Trick.«
»Es stimmt«, sagte Irene. »Ich mag Kinder eigentlich ganz gern, das habe ich hier entdeckt.«
Giulio zog die Hand aus der Tasche, in der das Armband wieder verschwunden war. »Ich wohne hier in Herrsching, im See-Hotel. Sie können das Armband heute nacht auf meinem Zimmer abholen.«
Sehr gelassen kam Irenes Antwort:
»Wahrscheinlich werde ich das tun, Giulio.«
*
Tatsächlich glaubte Monika, es habe sich nun alles eingerenkt. Sie zwang sich dazu, ruhig zu erscheinen und sie zwang sich, liebenswürdig zu Irene zu sein. Sie redete sich ein, es werde nur noch einige Monate dauern, bis zur Entbindung, dann vielleicht noch ein paar Wochen, und schließlich werde Irene nach Rom fahren, Ried verlassen.
Monika klammerte sich an diesen Trost, schluckte alles, was Irene ihr bewußt antat, und darin war das Mädchen erfinderisch.
»Bitte, Frau Berckheim, sprechen Sie doch mal mit Therese, ihr Ton mir gegenüber gefällt mir nicht.«
Monika sprach mit Therese, nahm Irene in Schutz und begründete sogar ihr Verhalten mit ihrer Schwangerschaft.
»Bitte, Frau Berckheim, kann ich heute nachmittag Ihren Wagen haben?«
»Natürlich.«
Jeden Tag fiel ihr etwas ein, womit sie Monika zeigen konnte, wer sie war. Und jeden Tag sah sie, wie Monika mürber wurde. Und abends, wenn Robert nach Hause kam, herrschte eitel Friede im Hause. Er freute sich darüber, daß sich das Verhältnis zwischen den beiden Frauen so sichtbar gebessert hatte. Von Giulios Besuch hatte er weder von Monika noch von Irene erfahren. Er war so ahnungslos wie ein Kind...
Als Irene aber, ungefähr vierzehn Tagen später, bei jeder Gelegenheit Tränen in Monikas Augen entdeckte, rief sie Giulio in München an.
»Ich glaube, jetzt ist sie soweit. Ich brauche nur etwas zu sagen, dann heult sie. Soll ich jetzt?«
»Ja«, sagte Giulio. »Du kannst das besser beurteilen.«
Die Gelegenheit dazu ergab sich noch am gleichen Abend, als Robert anrief und mitteilte, daß er heute nicht heimkommen könne, ein dringender Fall halte ihn in der Klinik fest. Irene hatte, wie meistens, das Gespräch entgegengenommen.
Sie suchte Monika, fand sie beim Silberputzen im Eßzimmer und sagte: »Ihr Mann hat eben angerufen, er kann heute nicht kommen.«
»Danke«, murmelte sie, und fast gegen ihren Willen fragte sie weiter: »Hat er nicht... wollte er mich nicht selber sprechen?«
»Nein. Wozu auch? Aber ich habe mit Ihnen zu sprechen.«
Unsicher legte Monika den Löffel aus der Hand.
»Ja? Bitte.«
»Wir hatten doch neulich eine gewisse Unterhaltung, Sie erinnern sich doch?«
»Ja, ja natürlich. Ich habe mich seither bemüht...«
»Gewiß, Sie haben sich bemüht. Man hat es Ihnen deutlich angemerkt, welche Überwindung es Sie kostet, mich anständig zu behandeln. Mir paßt das Ganze nicht mehr.«
»Paßt Ihnen nicht mehr... wie... wie soll ich das verstehen?«
»Sie werden es verstehen, meine Erklärung ist deutlich genug. Eine von uns beiden ist hier zuviel. Erraten Sie, für wen es langsam Zeit wird, zu verschwinden?«
Monika tastete nach einem Stuhl, setzte sich und starrte das Mädchen an, das so eiskalt auf dem breiten Fenstersims saß und mit den langen Beinen baumelte.
»Ich meine, Sie sollten allmählich anfangen, Ihre Koffer zu packen«, sagte Irene spöttisch.
»Ich soll... großer Gott, ich verstehe wirklich nicht...«
»Verschwinden. Ganz einfach verschwinden.«
Der Schlag kam so unerwartet und so hart, daß Monika wirklich nicht in vollem Umfange begriff, was Irene von ihr verlangte.
»Wir hatten doch vereinbart, daß Sie...«
»Das war damals. Inzwischen möchte ich, daß Sie auf Ried verschwinden, und zwar für immer. Packen Sie Ihre Koffer, fahren Sie los, und schreiben Sie meinetwegen Ihrem Mann einen rührenden Brief. Sie könnten ihm schreiben — ach was, so viel Phantasie haben Sie doch, nachdem Ihnen Ihre bunten Geschichten bisher so glatt über die Lippen gekommen sind.«
Monikas Hände verkrampften sich.
»Sie... Sie sind ein Ungeheuer! Was Sie da von mir verlangen, ist...«
»...ist absolut gerecht. Wie lange sind Sie verheiratet?
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