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Anständig essen

Anständig essen

Titel: Anständig essen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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gut schmeckende kleine gelbe Tomaten gefunden – Tomaten, wie ich sie mir von einer Bio-Ernährung versprochen hatte. Obwohl diese Phase ja eigentlich vorbei ist, erledige ich den überwiegenden Teil meiner Einkäufe weiterhin dort. Jetzt ganz freiwillig. Erstens, weil ich in Bio-Läden von einer gewissen Grundanständigkeit bei der Herstellung der Produkte ausgehen kann. Und zweitens schmecken viele Sachen einfach zu gut. Die gelben Tomaten sind drei Tage später leider schon wieder ausverkauft, aber dafür finde ich jetzt Klementinen, wie es sie zuletzt in meiner Kindheit gab. Seit Jahrzehnten suche ich danach. Die ideale Frucht war knallorange und glänzend, kernlos, dünnschalig, sehr fest und schmeckte leicht säuerlich. Wenn man die Schale abpellte, kamen gleich die Klementinenstücke zum Vorschein, und man musste nicht noch endlos dieses weiße Zeug herunterkratzen. Die Klementinen der Bio-Company sehen außen nicht so glatt und orange aus wie die von früher, eher murkelig und gelblich, aber innen sind sie so, wie sie sein sollen.
    Lakritz kaufe ich aber wieder bei Haribo.
    »Warum willst du einen solchen Global Player unterstützen«, mault Jiminy. »Ich kenne da eine Lakritzmanufaktur in Berlin. Geh doch da hin.«
    »Vielleicht hat es ja einen Grund, dass sich Haribo-Produkte in die ganze Welt verkaufen«, gebe ich zurück. »Vielleicht liegt es ja daran, dass sie gut schmecken. Ist es etwa politisch unkorrekt, durch die Herstellung exzellenter Produkte reich zu werden?«
    Ich erkläre ihr, dass der Name Haribo für Hans Riegel Bonn steht, das Produkt also nicht aus Übersee eingeflogen werden müsse, sodass auch die Klimabilanz akzeptabel scheint. Um noch einmal auf Nummer sicher zu gehen, dass die Familie Riegel nicht dochirgendwelche Killerkommandos gegen Betriebsratsangehörige unterhält, schalte ich das Internet an. Oh nein, oh nein, oh nein! Laut Wikipedia stand Haribo im Jahr 2000 in dem Verdacht, während des Zweiten Weltkriegs Zwangsarbeiter beschäftigt zu haben. Haribo bestreitet das allerdings, und solange nichts bewiesen ist, gilt ja wohl immer noch die Unschuldsvermutung. Dass das Bundeskartellamt 2008 ein Verfahren wegen unerlaubter Preisabsprachen gegen Haribo einleitete, hake ich jetzt einfach mal unter Menschliches/Allzumenschliches ab. So sind sie halt, unsere Unternehmer, die reinsten Temperamentsbündel.
    Leider kann ich die meisten Haribo- und Katjes-Sorten dann trotzdem nicht essen. In allen Weingummis und in den besten Lakritzen wie »Tapsis« von Katjes oder »Haribo Konfekt« ist Gelatine drin. Gelatine besteht aus Schweineschwarte, Rinderhaut, gemahlenen Schweine- und Rinderknochen, toten Fischen oder Hühnern. Sie ist gut für die Gelenke und schlecht für das Tier, von dem die Gelatine stammt. Es weigert sich nämlich, Gelatine herauszurücken, wenn man es nicht vorher umbringt.
    Immerhin, Lakritzschnecken darf ich noch.
    Zufällig ist die vegetarische Küche auch das Titelthema der Märzausgabe des Berliner Kulturmagazins »tip«, das ich natürlich sofort erwerbe. So erfahre ich, dass Berlin die vegetarierfreundlichste Stadt Deutschlands ist, was in der Praxis aber bloß bedeutet, dass es hier die meisten und einige der besten vegetarischen und veganen Restaurants geben soll. Na, das lässt doch hoffen. Überhaupt sehe ich der fleischlosen Zeit einigermaßen gelassen entgegen. Ich will jetzt nicht behaupten, fleischlos zu leben bedeute überhaupt keinen Verzicht. Aberes ist ein erträglicher Verzicht, wenn man wie ich gern asiatisch isst. Das Beste am Fleisch, so behaupte ich, ist nämlich die Soße, und die asiatische Küche kennt erstklassige Soßen auf der Basis von Kokosnussmilch und Currypasten, ohne dass dafür ein Tier behelligt werden muss. Schon während meiner Bio-Phase hatte ich mich ja dazu verpflichtet, in Restaurants, die kein Bio-Fleisch anboten – praktisch also jedes Mal –, nur vegetarische Gerichte zu bestellen. Bei meinem Lieblingsvietnamesen und meinem Lieblingsinder empfand ich den Unterschied als unbedeutend. Als ich jedoch einmal mit meiner Lektorin Esther Kormann außerhalb Berlins essen ging, in Buckow nämlich, im Restaurant Seeterrassen, das neben Fischspezialitäten auch prächtige Kohlrouladen anbietet, kam ich mir mit meinen fünf vegetarischen Knoblauch-Backofenkartoffeln degradiert vor. Nein, nein, nein, bei aller Liebe: Ein Vegetarier, der behauptet, dass trockene Kartoffelhälften plus ein kleiner Salat genauso gut schmecken wie ein

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