Anständig essen
oder einem Reiher zugezogen haben kann. Oder bei seinem Zusammentreffen mit Michi. Anschließend baut der stolze Angler seine Kamera auf, fotografiert sich mit dem schwabbeligen Monsterfisch auf dem Arm und lässt ihn wieder schwimmen. Michi liebt Karpfen. Die Karpfen lieben Michi wahrscheinlich nicht ganz so sehr.
Und natürlich ist Michi auch überzeugter Fleischesser. Da die Einstellung, dass man Tiere essen darf,nicht durch Argumente gewonnen worden ist, ist sie mit Argumenten auch nur schwer wieder aus der Welt zu bringen. Also versuche ich es mit einem Trick. Ich lege Michi einen Dinkelburger und fünf Sojawürstchen mit extra-scharfem Curry-Ketchup auf den Teller, in der Hoffnung, dass der Ketchup ihm den Geschmack vernebelt. Mit ausreichend scharfer Sauce besteht die Aufgabe eines Fleischersatzes ja eigentlich nur noch darin, die Faserstruktur möglichst ähnlich nachzubilden.
»Na«, sage ich scheinheilig, »gib zu, dass der Dinkelburger viel besser schmeckt als die Würstchen.«
Ich hoffe, dass er sich jetzt trotzig für die Würstchen entscheidet, damit ich ihn aufklären kann, dass auch die Würstchen fleischlos sind. Und schon wäre wieder eine Seele für den Vegetarismus gerettet. Michi kaut und würgt ein Stück Dinkelburger herunter.
»Ich schmecke überhaupt keinen Unterschied.«
Und dann, weil er ein höflicher Mensch ist, setzt er noch hinzu:
»Nein, nein, das ist schon okay. Ich esse auch so was. Ich esse alles, was man mir vorsetzt. Aber irgendwann brauch ich dann Fleisch mit brauner Soße.«
Und so, wie er das sagt, kriege ich auf einmal wahnsinnig Appetit auf ein Stück Fleisch mit brauner Soße, und es hilft auch nicht, dass ich mir schnell in Erinnerung rufe, dass es sich dabei doch um ein Stück von einem lebenden Tier handelt. Ich stelle mir vor, wie das Tier gestorben ist, obwohl es nicht sterben wollte, wie es seinen Kopf hin und her warf, um dem Bolzenschussgerät zu entkommen – aber verdammt noch eins, ich krieg einfach den Gedanken an Fleisch mit Soße nicht aus meinem Kopf.
In der Post liegt ein Katalog der Firma »Siepmann – Alles für Agrar, Tier und Technik«. Den bekomme ich, seit ich im Internet einmal Silikatstaub gegen Milben im Geflügelhaus bestellt habe. Auf dem Umschlag läuft eine hübsche junge Frau im karierten Hemd durchs Kornfeld. Innen lauert das Grauen. Es gibt ja die weitverbreitete Meinung, Tierquälerei auf Bauernhöfen sei erst mit der Massentierhaltung entstanden, und in den kleinen Familienbetrieben sei alles eitel Sonnenschein. Tierhaltung in der Landwirtschaft hat aber seit jeher kaum etwas mit enthusiastischer Tierliebe, sondern viel öfter mit wirtschaftlichen Erwägungen zu tun. Nicht umsonst heißen die Tiere hier Nutztiere. Wenn ein Bauer seine 30 Hühner auf dem Hof laufen und dort auf dem Misthaufen scharren lässt, dann muss das nicht bedeuten, dass derjenige ein Verfechter von Freilandhaltung mit Aktivzonen für die Tiere ist. Wahrscheinlich ist es bei einem Hühnerhof dieser Größenordnung einfach bloß die wirtschaftlichste und praktischste Haltungsform, und der Bauer mit der vorbildlichen Hühnerhaltung hat im Hinterhof vielleicht noch einen vernachlässigten Hund im Zwinger und in der Garage Kaninchenställe, in denen die Kaninchen kaum zwei Sprünge vorwärts machen können.
Neben Gummistiefeln, Schlepperzubehör und Geflügeltränken bietet die Firma Siepmann solchen Landwirten auch verzinkte, einen Meter lange und 50 Zentimeter breite Metallkäfige an, die aussehen wie aus einem Versuchslabor. Bestimmt wahnsinnig praktisch. Für die Wachteln oder Kaninchen, für die diese sterilen Gefängnisse gedacht sind, muss es die Hölle sein. Für Schnecken wäre eine solche Umgebung vielleicht okay, wenn man ordentlich Salat hineinlegt, aber Wachteln sind Laufvögel. Die brauchen doch Bewegung. UndKaninchen ja wohl auch. Immerhin bietet der Metall-Kaninchenkäfig mit Metall-Wurfnest einen Kunststoff-Bodenrost. »Keine wunden Läufe mehr«, schwärmt der Katalog – scheint sonst also wohl allgemein üblich zu sein, dass Kaninchen auf blutigen Pfoten und durchgewetzten Läufen in ihren Metallgefängnissen vegetieren.
Oder hier, auf Seite 97: Kastrationsgerät NODECK , Artikelnummer 760097 für 79,00 Euro. Auf dem Foto daneben ist zu sehen, wie man das lebende und vermutlich grell quiekende Ferkel kopfüber an der Hüfte darin einklemmt, um ihm dann mit dem Skalpell (Skalpellgriff für 2,00 Euro, 5er-Pack Skalpellklingen für 0,80 Euro) den
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