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Anständig essen

Anständig essen

Titel: Anständig essen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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werden.«
    Und weiter: »Die Funktion eines Gnadenhofes, der Tierausbeutung legitimiert, indem er hierzu keine Stellung bezieht, sondern die gnädige Gewährung eines Gnadenbrotes für einzelne Tiere als ausreichend befindet, wollen wir ausdrücklich nicht erfüllen.«
    Auf der letzten Seite steht, wie man helfen kann.
    »Da wir […] den kompletten Antitierbenutzungshof nur zu zweit betreiben, sind wir auf Unterstützung angewiesen. Der Hof ist sehr heruntergekommen und muss mit großem Aufwand für die Tiere hergerichtet werden. Beispielsweise brauchen die Pferde dringend einen befestigten Auslauf für die Winterzeit, Zäune müssen errichtet werden, das Dach des Heubodens ist an einer Stelle schon eingestürzt und muss erneuert werden und vieles, vieles mehr. Selbstverständlich benötigen die Tiere auch täglich Nahrung, regelmäßige tierärztlicher Betreuung, manche Huf- bzw. Klauenpflege, … Unser Anliegen ist es, den Antitierbenutzungshof durch verschiedene bauliche Maßnahmen so auf die Bedürfnisse der einzelnen Tiere abzustimmen, dass sie hier ein möglichst einschränkungsfreies, schönes Leben verbringen können. All das können wir letztendlich nur durch finanzielle oder tatkräftige Hilfe bzw. durch Sachspenden realisieren. Wir möchten allerdings nicht, dass den bei uns lebenden Tieren angedachte Hilfe dazu dient, sich ein gutes Gewissen bezüglich der selbst vollzogenen bzw. in Auftrag gegebenen Ausbeutung anderer Tiere zu verschaffen. Den von uns aufgenommenen Tieren zu helfen kann eine nicht-vegane Lebensweise nicht gutmachen oder rechtfertigen. Wir möchten Menschen dazu anregen, alle nichtmenschlichen Tiere zu respektieren und vegan zu leben.«
    »Na toll«, sage ich, »dann müssen sie ihren Heuboden eben alleine flicken, wenn sie mein Schweinegeld nicht wollen.«
    »Ideologisch völlig verstrahlt«, meint Jiminy, »voll Achtziger. Obwohl sie natürlich irgendwie recht haben.«
    Inzwischen hat sich Bonzo im Reitstall einigermaßen eingelebt und wirkt weniger autistisch. Mich behandelt er weiterhin, als hätte er mich noch nie gesehen. Die Pferdemädchen erzählen, dass er sich jedes Mal losreißt, wenn ihn jemand von der Weide holen und vonseinen neuen Freunden trennen will. Deswegen bleibt er jetzt morgens in der Box, bis er seinen Unterricht absolviert hat. Eigentlich hatte ich ja gehofft, dass man dieses Problem hier lösen würde, aber es sieht wohl so aus, als müsste ich mich damit abfinden, dass ein Maultier nur das tut, wozu es grundsätzlich bereit ist. Im Unterricht soll Bonzo aber schöne Fortschritte machen. Ich bin hergekommen, um mir das anzusehen.
    Er wird ausgebunden. Das heißt, an beiden Seiten des Sattels wird ein Gurt befestigt und dann durch die Gebissringe geführt und weiter oben am Sattel noch einmal befestigt. Bonzos riesiger Schädel ist heruntergezogen. Mir wird unbehaglich, als ich das sehe. Einen Moment überlege ich, ob ich es hier abbreche und Bonzo einfach wieder mit nach Hause nehme. Aber das Mädchen, das ihn reiten soll, geht sehr freundlich mit ihm um, und Bonzo lässt sich bereitwillig von ihr in die Halle führen. Wenn ihm irgendetwas nicht passt, rührt er sich sonst nämlich keinen Zentimeter vom Fleck. Zum Glück dauert der Unterricht bloß eine Viertelstunde, in der Bonzo furchtbar hektisch und schwankend wie ein Betrunkener seine Runden trabt.
    »Er ist noch nicht richtig ausbalanciert«, sagt das Pferdemädchen, als es die Ausbinder wieder abmacht. Bonzo ist klitschnass. Schaumiger Schweiß tropft von seiner Brust. Selbst seine Ohren haben geschwitzt.
    »Aber er reagiert ganz stark auf Lob«, sagt das Pferdemädchen, »Lob ist ihm total wichtig.«
    Ich kann mir nicht helfen, aber die Pferdehaltung mit all ihren Zwängen, dem Festbinden, Einsperren, Unterwerfen, den Brandzeichen und der Kastration der männlichen Tiere erinnert mich manchmal fatal an Sklavenhaltung. Das Hauptproblem des modernen Freizeitpferdes ist wahrscheinlich eher Langeweile als Misshandlung, aber es ist natürlich auch kein Zufall, dass Reitstiefel, Reitpeitschen und nietenbeschlagenes Leder in sadomasochistischen Kreisen zur Grundausstattung gehören. Hundehaltung ist etwas völlig anderes. Hundehaltung ist, als hätte man die Vormundschaft für einen guten Freund übernommen, einen Freund, dessen Bedürfnissen man nie ganz gerecht werden kann, der aber doch vor allem ein Freund ist. Ich bemühe mich nach Kräften, auch dem Pferd, dem Maultier und dem Maulesel, die bei mir

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