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Anständig essen

Anständig essen

Titel: Anständig essen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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wohnen, das Leben möglichst angenehm zu machen, aber letztlich kann ich doch nicht mehr für sie sein als ein freundlicher Gefängniswärter.
    Wir sitzen beim Tee. Jiminy steht auf und geht zur Speisekammer, um Kluntjes zu holen. Plötzlich ein Aufschrei.
    »Komm schnell. Hier sind überall Ameisen. Komm bloß her und kuck dir das an.«
    Ich folge Jiminy zur Speisekammer.
    »Hier! Hier kommen sie aus der Wand und dann laufen sie zum Regal – da, wo du immer rumkrümelst.«
    Ich nehme mir einen Keks aus der Packung im Regal. Die parwen Kekse schmecken ausgesprochen gut. Offenbar ist es möglich, einen guten Schokoladenkeks à la Prinzenrolle ohne Milch zu produzieren. Die Kekse mit der weißen Füllung sind sogar noch besser.
    »Oh, nein«, ruft Jiminy, »… kuck dir das an, … kuck dir das an … – also das geht nicht, die laufen hier noch durch dein Schlafzimmer, …«
    Die Ameisenkarawane führt unter meinem Bett hindurch und die Wand entlang bis ins Badezimmer. Über dem Wäschekorb hängt eine Jeans mit klitschnassen Beinen, die ich heute Morgen schnell ausgezogen habe, nachdem ich in einen heftigen Regenguss gekommenbin. Jiminy hebt eines der Beine hoch, und hundert Ameisen wuseln aufgestört in alle Richtungen.
    »Ich kann da nichts machen«, sage ich mit treuherzigem Augenaufschlag und krümele ein Stück Keks zwischen die Ameisen, »ich bin Veganerin.«
    »Dann mache ich das eben«, schnaubt Jiminy, »ich kaufe einen Giftköder. Sonst fressen die die Holzbalken auf.«
    Ich zucke die Achseln. Wenn sie so grausam sein will … Die Ameisen sind Natur, Jiminy ist Natur – wer bin ich, ihr Einhalt zu gebieten?
    Die erste Kolonne hier fege ich einigermaßen vorsichtig auf ein Kehrblech und bringe sie ans andere Ende des Gartens. Als ich zurückkomme, ist der Tee natürlich längst kalt. Jiminy schenkt uns frischen ein, dann rührt sie unwirsch in ihrer Tasse. Das leidige Sahneproblem. Ich weiß nicht, ob es jetzt Hafer-, Soja- oder Reismilch ist, die da gerade ausflockt.
    »Wir finden schon noch etwas, das du magst«, sage ich. »So weit sind Sojamilch und Milch doch gar nicht auseinander. Der Blaubeerjoghurt aus dem Vegi-Laden hat auch wie ganz normaler Joghurt geschmeckt. Ich habe da keinen Unterschied gemerkt.«
    »Ich schon«, muffelt Jiminy, »ich merk den Unterschied. Aber das ist okay.« Sie schiebt die Tasse von sich weg. »Ich weiß nur nicht, ob ich mich an die Soja-Sahne gewöhnen kann. Ostfriesentee mit Zucker und Sahne, das ist für mich auch so etwas wie ein Ritual. Das hat auch mit Kultur zu tun, mit Identität.«
    »Von nun an vor jedem Essen sein Mitleid und den Verstand einzuschalten, kann doch auch ein schönes Ritual sein«, versuche ich zu trösten. Jiminy seufzt.

[Menü]
    9
Juni – veganer
    »Dieser Weg wird kein leichter sein, dieser Weg ist steinig und schwer, nicht viele werden mit dir einig sein, doch das Leben bietet so viel mehr.«
    (Xavier Naidoo)
    Vorgabe: Wie gehabt. Außerdem besorge ich mir endlich ein veganes Portemonnaie.
    Seit unserem Einkauf im Vegan-Laden stimmt das Frühstück. Das Brot ist toll, eine gute Mayonnaise haben wir auch gefunden, und mit Tomaten, Schnittlauch, Pfeffer und Salz darauf schmeckt das ganz hervorragend. Außerdem hat sich der Rote-Beete-Aufstrich als echte Entdeckung erwiesen. Vega-Fit Rote Beete – klingt übel, ich weiß, und ich hätte ihn normalerweise auch nie im Leben probiert. Aber da wäre mir etwas entgangen. Trotzdem vermisse ich manchmal Käse. Okay, ich sehe ja ein, dass es nicht richtig war, wie ich mich bisher ernährt habe, aber muss ich wirklich für alle Zeiten auf den fantastischen Uralt-Gouda verzichten? Nie wieder Butter, Vollmilchschokolade oder Kirschjoghurt? Und wenn ich das ganz, ganz selten esse und alles im Bio-Laden kaufe – wäre es dann nicht okay?
    Ich bin schon auf dem Weg zum Kuh-Altersheim, als mir einfällt, dass es ja eigentlich ganz nett wäre, wennich ein Geschenk mitbringen würde. Also halte ich in Strausberg vor der Buchhandlung.
    »Haben Sie etwas über Tierrechte?«, frage ich.
    »Tierrechte?« Die Verkäuferin sieht mich erstaunt an.
    »Ja, etwas über Massentierhaltung, über unseren Umgang mit Tieren, möglichst kein Sachbuch. Es soll ein Geschenk sein, und die Leute sind Veganer. Die wissen vermutlich schon alles darüber, aber vielleicht gibt es ja etwas Philosophisches oder einen Roman, der davon handelt, oder einen Krimi.«
    Jetzt kommt die Buchhändlerin aus einem zweiten Zimmer.
    »Haben wir

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